20-11 Nr. 3

Praktisch-pädagogische
Einführung für
Fachlehrerinnen und Fachlehrer -
Werkstattlehrerinnen und Werkstattlehrer

RdErl. d. Kultusministeriums
v. 10.04.1987 (GABl. NW. S. 258)1

Bei der Einstellung von Fachlehrerinnen und Fachlehrern mit der Befähigung für die Laufbahn der Werkstattlehrerin oder die Laufbahn des Werkstattlehrers - § 36 der Laufbahnverordnung (LVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310) in der jeweils gültigen Fassung (SGV. NRW. 20301) - ist wie folgt zu verfahren:

1 Voraussetzungen für die Einstellung, Probezeit

1.1 Als Fachlehrerin oder Fachlehrer kann in den Schuldienst eingestellt werden, wer die Befähigung gemäß § 36 LVO besitzt,

1.2 Die Dauer der Probezeit richtet sich nach § 32 LVO.

2 Praktisch-pädagogische Einführung

2.1 Bei erstmaliger Einstellung in den Schuldienst nehmen die Fachlehrerinnen und Fachlehrer an einer 18-monatigen praktisch-pädagogischen Einführung teil. Zu dieser Maßnahme können auch Lehrerinnen und Lehrer im Tarifbeschäftigungsverhältnis zugelassen werden, die in der Funktion von Werkstattlehrerinnen oder von Werkstattlehrern beschäftigt werden.

2.2 Die praktisch-pädagogische Einführung erfolgt nach den als Anlage beigefügten organisatorischen und pädagogischen Richtlinien. Im Rahmen dieser Einführung sind Hospitationen, überwachte fachpraktische Unterweisung und Arbeitsgemeinschaften vorgesehen. Mit der Durchführung dieser Maßnahmen werden erfahrene Lehrerinnen und Lehrer beauftragt.

2.3 Von dem mit Runderlass vom 04.01.1995 (BASS 21-02 Nr. 1) festgelegten Arbeitsmaß entfallen während der praktisch-pädagogischen Einführung

- auf Arbeitsgemeinschaften sechs Wochenstunden,

- auf Hospitationen und überwachte fachpraktische Unterweisung vier Wochenstunden.

Für Vor- und Nachbereitung sind in diesem Bereich weitere zehn Wochenstunden anzusetzen.

Von dem verbleibenden Arbeitsmaß sollen 15 Wochenstunden auf Unterweisungen gemäß Nr. 2.1 des o.g. Runderlasses entfallen.

2.4 Zum Ende der Einweisungszeit erstellt die Leiterin oder der Leiter der Arbeitsgemeinschaft einen Leistungsbericht über die Fachlehrerin oder den Fachlehrer. Dieser wird der Schulaufsicht zugeleitet und zur Personalakte genommen.

2.5 Die Bezirksregierung führt die Aufsicht über die praktisch-pädagogische Einführung und schafft die organisatorischen und personellen Voraussetzungen für die Durchführung der Maßnahme.

 

Nachfolgend finden Sie die Anlage zum Runderlass:

 

Anlage

Rahmenplan
für die praktisch-pädagogische Einführung
der Fachlehrerinnen und Fachlehrer
mit der Befähigung für die Laufbahn
der Werkstattlehrerin oder
die Laufbahn des Werkstattlehrers

1 Allgemeine Zielsetzung

Ziel der praktisch-pädagogischen Einführung ist, die Fachlehrerinnen und Fachlehrer mit ihrem neuen Tätigkeitsfeld und ihrer neuen Berufsrolle vertraut zu machen. Sie soll sie in die Lage versetzen, Unterweisungen in den jeweiligen berufsfeldbezogenen Bereichen planen, durchführen und reflektieren zu können. Darüber hinaus legt sie Grundlagen zur Ausbildung eines erzieherischen Bewusstseins mit Hilfe pädagogischer, psychologischer und schul- und ausbildungsrechtlicher Elementarkenntnisse.

1.1 Richtziele

Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer sollen

1.1.1 in der Lage sein, sich innerhalb des rechtlichen und organisatorischen Rahmens ihres Tätigkeitsfeldes einen eigenen erzieherischen Standpunkt zu erarbeiten;

1.1.2 die Lehr- und Lernprozesse der fachpraktischen Unterweisung planen, durchführen und reflektieren können;

1.1.3 mit Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Vorbildung, unterschiedlicher Lernbereitschaft und unterschiedlicher Leistungsfähigkeit im Sinne des schulischen Erziehungsauftrages und der fachlichen Ansprüche der jeweiligen Rahmenpläne arbeiten können;

1.1.4 fähig sein, die fachpraktische Ausbildung Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Herkunftssprachen im Bereich Schule zu planen und durchzuführen;

1.1.5 in der Lage sein, sich über die rechtlichen Grundlagen und Folgen ihres dienstlichen Handelns fortlaufend zu informieren und den Rechtsabsichten und -vorschriften entsprechend zu verfahren.

2 Didaktische Vorüberlegungen

2.1 Entwicklungstendenzen in der fachpraktischen Berufserziehung

In der fachpraktischen Berufserziehung haben sowohl die betriebliche als auch die schulische Unterweisung durchgreifende Änderungen erfahren. Die Entwicklung rein berufsmotorischer Fertigkeiten ist in den Hintergrund getreten. Sie wird in steigendem Maße ersetzt durch eine planmäßige Verbindung dieser Fertigkeiten mit fertigkeitsbezogenen Kenntnissen und Einsichten. Auch Einblicke in betriebswirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge werden als Grundlage fachpraktischen Handelns immer stärker in Unterweisungsprozesse integriert. Im Zuge dieser Entwicklung verlieren traditionelle imitationsorientierte Methoden ihre Vorrangstellung. Tendenziell werden sie ersetzt durch Verfahren, die einerseits die Integration von Teilfertigkeiten in Gesamtabläufe methodisch aufgreifen, andererseits aber vor allem Kreativität, Mündigkeit und Verantwortung als Ziele berufsbezogener Erziehungsprozesse betonen (Projekte, Selbstunterweisung).

2.2 Folgerungen für die praktisch-pädagogische Einführung

Die praktisch-pädagogische Einführung muss diesem Wandel in ihren Lerninhalten und ihrer Lernorganisation vor allem dadurch Rechnung tragen, dass sie die Fachlehrerinnen und Fachlehrer zu einem ganzheitlichen Verständnis berufsmotorischen Lernens hinführt und sie dazu auch mit einem speziell auf die Vermittlung von Wissen und Einsichten zielenden Unterweisungsrepertoire ausstattet.

Der schulische Erziehungsauftrag erfordert darüber hinaus die Entwicklung solcher pädagogischer Denkansätze, die Mündigkeit und eigene Kraft der Schülerinnen und Schüler auch in Unterweisungsprogrammen betonen und fördern.

3 Lerninhalte

3.1 Lernbereiche und Themenschwerpunkte

Die Richtziele der praktisch-pädagogischen Einführung lassen sich insbesondere in Lernbereichen und ihnen zugeordneten Themenschwerpunkten verwirklichen, die geeignet sind, künftige fachliche und pädagogische Handlungs- und Entscheidungssituationen der Fachlehrerinnen und Fachlehrer aufzuarbeiten. Unter diesem Gesichtspunkt bieten sich vor allem die folgenden Bereiche und Themen an. Die Reihenfolge spiegelt ihre Bedeutung für die in der praktisch-pädagogischen Einführung sich vollziehenden Lehr- und Lernprozesse wider.

Die zugeordneten Themenschwerpunkte beschreiben die Lernbereiche inhaltlich nur in den Grundzügen. Sie müssen vor Ort in einem gemeinsamen Planungsprozess mit den Fachlehrerinnen und Fachlehrern richtzielgeleitet ausgefüllt und in konkrete Lehr-Lernprozesse umgesetzt werden.

3.1.1 Planung, Durchführung und Reflexion der fachpraktischen Unterweisung

Hier sind vor allem folgende Themenschwerpunkte zu berücksichtigen:

- Umsetzung curricularer Vorgaben,

- Kompetenzförderung,

- Anforderungs-, Adressaten- und Sachanalyse,

- Auswahl von Lerninhalten,

- Unterweisungsmethoden/Unterweisungsformen,

- Erfassung und Rückmeldung des Lernerfolgs,

- Schülerbeurteilung,

- Spezielle Medien der fachpraktischen Unterweisung,

- Neue Technologien der Informationsverarbeitung und Prozesssteuerung in der fachpraktischen Unterweisung.

3.1.2 Schüleranalyse/Das Lehrer-Schüler-Verhältnis

Als Themenschwerpunkte bieten sich an:

- Schülerbeobachtung: Möglichkeiten und Grenzen,

- Verhaltensdeutungen: Lehrerbild der Schülerinnen und Schüler,

- Schülerbild der Lehrerinnen und Lehrer,

- Psychomotorisch-kognitive Lernprozesse bei Schülerinnen und Schülern,

- Störungen des Unterweisungsprozesses,

- Arbeit mit Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Herkunftssprachen,

- Spezielle Verfahrensweisen der interkulturellen Bildung,

- Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Unterweisungsprozess.

3.1.3 Erzieherische Wertvorstellungen und Konzepte

Themenschwerpunkte sind:

- Die fachpraktische Unterweisung als Erziehungsvorgang,

- Erziehungsziele: Kontinuität und Wandel,

- Erziehung im dualen System: Wertvorstellungen in Betrieb und Schule,

- Lebensentwürfe und erzieherische Selbstkonzepte von Schülerinnen und Schülern.

3.1.4 Struktur des Berufskollegs/Rechtlicher Rahmen der Fachlehrertätigkeit

Themen:

- APO-BK,

- Duale Berufsausbildung: Zusammenarbeit mit Betrieben, Innungen und Kammern bei Ausbildung und Prüfungen,

- Für die Fachlehrertätigkeit wichtige Themen des Schul- und Beamtenrechts,

- Schulgesetz.

3.1.5 Integration von Theorie und Praxis unter Berücksichtigung schulformspezifischer Besonderheiten

Themen:

- Fächerübergreifende Aspekte fachtheoretischer Arbeit und deren Umsetzung in die fachpraktische Unterweisung,

- Ausbildungsordnungen/Ausbildungsrahmenpläne: Theorie-Praxis-Verschränkungen und Strategien zu deren Umsetzung in Unterweisungsprozesse,

- Technologisch-wirtschaftlicher Wandel: Auswirkungen auf Theorie-Praxis-Anteile und -Schwerpunkte der Berufsfelder und Ausbildungsberufe,

- Zusammenarbeit Schule/Wirtschaft unter besonderer Berücksichtigung vollzeitschulischer Bildungsgänge.

4 Methodisch-mediale Organisation

Der Ziel-Inhalts-Zusammenhang wird im Folgenden um den Methodenaspekt erweitert.

Drei Kriterienschwerpunkte gewährleisten eine zieladäquate Auswahl geeigneter Verfahren, Sozialformen und Medien.

4.1.1 Orientierung an Vorerfahrung und Selbstständigkeit

Als beruflich qualifizierte und lebensältere Lernpartnerin oder Lernpartner bringen die Fachlehrerinnen und Fachlehrer eine Fülle unterschiedlicher beruflicher und berufserzieherischer Erfahrungen mit, die als lernprozessanregendes und lernprozesstragendes Potential vielfältig genutzt werden können.

Besonders bei der Verfolgung des Richtziels unter Nr. 1.1.1 und im Lernbereich unter Nr. 3.1.3 (Erzieherische Wertvorstellungen und Konzepte) sollten vorhandene erzieherische Voreinstellungen in gesprächs- und gruppenorientierten Arbeitsformen aufgearbeitet werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind insbesonders in die Planung des methodischen Vorgehens und in die Auswahl der verwendeten Medien angemessen einzubeziehen.

4.1.2 Orientierung am Selbsttätigkeitsprinzip

Im Hinblick auf die Selbstständigkeit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten durchgängige Vortragsformen und kontinuierliche Informationsaufnahmen ohne Möglichkeiten der kommunikativen Verarbeitung vermieden werden.

Gesprächsformen, die die gesamte Lerngruppe einbeziehen, Formen der Differenzierung der Lerngruppe, unterschiedliche Vortragsformen (auch durch die Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer) und Sonderformen des sozialen Lernens sind zu berücksichtigen.

Ebenso ist von praktischen Übungen auszugehen, aus denen konkrete Planungs-, Durchführungs- und Reflexionsaufgaben gemeinsam auszuwählen und selbsttätig zu bearbeiten sind.

4.1.3 Orientierung am Prinzip des lebensbegleitenden Lernens

Als Fachlehrerinnen und Fachlehrer sind die Teilnehmenden der praktisch-pädagogischen Einführung verpflichtet, durch lebensbegleitendes Lernen die Fähigkeit zu erwerben, Lehrinhalte, Lehrziele und Lehrverfahren ständig neu an die sich wandelnden Anforderungen der beruflichen und sozialen Umwelt anzupassen.

Exemplarisch können die Notwendigkeit, vor allem aber auch die Methoden und Medien lebensbegleitenden Lernens am Beispiel der Neuen Technologien erfahren werden.

So sollten in diesem Bereich z.B. Fachlehrerinnen und Fachlehrer in der Lage sein

- komplexe Gebilde auf Grundprinzipien zurückzuführen,

- sich Übersichten über grundlegende technische Möglichkeiten (z.B. der Neuen Technologien) zu verschaffen,

- eine neue Ökonomie der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung angesichts einer Überfülle von Daten zu entwickeln.

Konkreter Umgang mit z.B. bestimmten Datenbankanwendungen zum Vorrats- und Bestellwesen und zur Menüerstellung im Berufsfeld Ernährung und Hauswirtschaft, mit computerunterstützter Mess- und Prüftechnik im Elektro- und Metallbereich, mit CAD im Baubetrieb usw. unter den obengenannten Gesichtspunkten, kann hier zum Muster permanenten Lernens werden.

Die eigenen Lernwiderstände und Lernerfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den unterschiedlichen methodischen Formen der praktisch-pädagogischen Einführung sind unter dem Aspekt des „Lernens des Lernens“ zu thematisieren.

5 Organisation des Ablaufs und der Lernorte

5.1 Organisatorischer Ablauf

Die praktisch-pädagogische Einführung dauert 18 Monate und findet an Schulen statt, die von der oberen Schulaufsichtsbehörde benannt werden. Neben einer schulpraktischen Einweisung von vier Wochenstunden umfasst sie eine Arbeitsgemeinschaft mit integrierten unterweisungspraktischen Übungen von sechs Wochenstunden. Die Arbeitsgemeinschaften sind unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten so zusammenzusetzen, dass sowohl berufsfeldspezifische Arbeitsgruppen als auch berufsfeldübergreifender Erfahrungsaustausch möglich werden.

Eventuell notwendige Auslagen für Fahrkosten sind aus dem bei Kapitel 0502 Titel 5251 zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln zu bestreiten.

Als Beginn der praktisch-pädagogischen Einführung ist eine (etwa) dreitägige Intensivphase vorzusehen, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den Zielen und Inhalten der Maßnahme vertraut gemacht werden.
Eine einzurichtende vergleichbare Phase am Ende der praktisch-pädagogischen Einführung dient vorrangig dem Erfahrungsaustausch.

5.2 Schulpraktische Einweisung

Die vierstündige schulpraktische Einweisung findet an den Schulen statt, an denen die Fachlehrerinnen und Fachlehrer während der praktisch-pädagogischen Einführung eingesetzt sind. Sie besteht anfangs ganz aus Hospitationen und wird dann stufenweise von eigener überwachter fachpraktischer Unterweisung abgelöst. Für ihre Organisation und Durchführung ist die Leiterin oder der Leiter der jeweiligen Einsatzschule verantwortlich. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer wird von einer von der Schulleiterin oder vom Schulleiter benannten Lehrkraft betreut, die in der Regel an der Schule tätig sein soll und Fachlehrerin oder Fachlehrer ist. Nach Möglichkeit findet die schulpraktische Einweisung in unterschiedlichen Klassen und unterschiedlichen Schulformen des jeweiligen Berufsfeldes statt. Bei eigenen Versuchen legen die Fachlehrerinnen und Fachlehrer knappe Planungen mit einer Verlaufsdarstellung als Schwerpunkt vor. Die Leiterin oder der Leiter der Arbeitsgemeinschaft ist verpflichtet, sich in angemessenen Abständen durch Teilnahme an Unterweisungsversuchen über den Lernfortschritt der Teilnehmerin oder des Teilnehmers zu informieren und zu beraten. Der Anteil der Einsatzschulen am gesamten Arbeitsmaß der Fachlehrerinnen und Fachlehrer beträgt 15 Wochenstunden. Von einer Betrauung mit Sonderaufgaben während dieser Zeit ist abzusehen.

 


1 Bereinigt. Eingearbeitet:
RdErl. v. 26.11.2008 (ABl. NRW. S. 625)