Religionsunterricht
an Schulen
Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder
Vom 20. Juni 2003 (ABl. NRW. S. 232)1
1.1 Der Religionsunterricht wird als ordentliches Unterrichtsfach an öffentlichen Schulen in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt. Er unterliegt der staatlichen Schulaufsicht. Seine rechtlichen Grundlagen sind in Artikel 7 Absatz 3 GG (BASS 0-1), Artikel 14 LV. NRW. (BASS 0-2),§ 31 SchulG (BASS 1-1) und den Vereinbarungen zwischen dem Land und den Kirchen (BASS 20-52 Nr. 2, BASS 20-53 Nr. 1) geregelt.
1.2 Außer dem katholischen und dem evangelischen Religionsunterricht ist in Nordrhein-Westfalen jüdischer, orthodoxer und syrisch-orthodoxer Religionsunterricht eingeführt.2
1.3 In der einzelnen Schule ist Religionsunterricht einzurichten und zu erteilen, wenn mindestens zwölf Schülerinnen und Schüler eines Bekenntnisses vorhanden sind. An Bekenntnisschulen wird Religionsunterricht im betreffenden Bekenntnis und bei Bedarf daneben im Bekenntnis einer konfessionellen Minderheit erteilt (§ 26 Absatz 7 SchulG). Darüber hinaus wird an Bekenntnisschulen Religionsunterricht in einem anderen Bekenntnis angeboten, wenn es die Eltern (§ 123 SchulG) von mindestens zwölf Schülerinnen und Schülern dieses Bekenntnisses wünschen und die personellen Voraussetzungen erfüllt sind.
1.4 Der Religionsunterricht wird von Lehrerinnen und Lehrern oder von kirchlichen Lehrkräften (Geistlichen) erteilt (§ 31 Absatz 3 SchulG).
1.5 Die Kirchenleitungen oder deren Beauftragte können Einsicht in den Unterricht nehmen. Ansprechpartner für die Schulen in Fragen des Religionsunterrichts sind in der evangelischen Landeskirche die Schulreferentinnen und Schulreferenten der Kirchenkreise bzw. Kirchenkreisverbände; in den katholischen Bistümern die Schulabteilungen.
2 Erteilung des Religionsunterrichts
durch Lehrkräfte des Landes
2.1 Religionsunterricht wird von Lehrkräften des Landes erteilt, die dafür die Lehrbefähigung und die kirchliche Vollmacht (missio canonica, Vokation oder Einverständniserklärung der Religionsgemeinschaft) besitzen (§ 31 Absatz 3 SchulG).
2.2 Die kirchliche Bevollmächtigung nach Nummer 2.1 wird von der zuständigen Stelle der Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt. Nähere Hinweise dazu enthält der RdErl. vom 14.06.1977 (BASS 20-51 Nr. 1). Wird einer Lehrkraft die Bevollmächtigung der Kirche oder Religionsgemeinschaft entzogen oder gibt eine Lehrkraft diese zurück, so darf sie keinen Religionsunterricht mehr erteilen.
2.3 Keine Lehrkraft darf gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen. Lehnt es eine Lehrkraft ab, Religionsunterricht zu erteilen, obwohl sie Lehrbefähigung und Bevollmächtigung besitzt, so kann ein dienstliches Bedürfnis für eine Versetzung vorliegen. Im Übrigen darf der Lehrkraft daraus kein beamtenrechtlicher Nachteil erwachsen.
3 Erteilung des Religionsunterrichts
durch kirchliche Lehrkräfte
3.1 Religionsunterricht kann, soweit keine staatlich ausgebildeten Lehrkräfte zur Verfügung stehen, durch Geistliche, kirchliche Lehrkräfte, von der Religionsgemeinschaft beauftragte Lehrkräfte oder von ausgebildeten Katecheten erteilt werden. Sie bedürfen dazu des staatlichen Unterrichtsauftrags. Sie sind als Religionslehrkräfte Mitglied des Kollegiums einer Schule, unterliegen den schulrechtlichen Bestimmungen, soweit sie anwendbar sind, und nehmen an Konferenzen (insbesondere zu Fragen des Religionsunterrichts) teil.
3.2 Die Vereinbarungen mit den evangelischen Landeskirchen vom 22./29.12.1969 (BASS 20-52 Nr. 2) und mit der katholischen Kirche vom 18.02.1956 (BASS 20-53 Nr. 1) enthalten hierzu nähere Regelungen. Diese Regelungen können sinngemäß auch auf andere Religionsgemeinschaften angewandt werden, sofern mit diesen keine eigenen Vereinbarungen getroffen worden sind.
4 Deckung des Unterrichtsbedarfs
4.1 Religionsunterricht ist grundsätzlich im Umfang der in den Stundentafeln vorgesehenen Wochenstundenzahl zu unterrichten. Die Klassenbildungsrichtwerte gemäß § 6 VO zu § 93 SchulG (BASS 11-11 Nr. 1) sind bei der Bildung von Lerngruppen soweit wie möglich zu berücksichtigen. Soweit erforderlich und pädagogisch vertretbar, sind Schülerinnen und Schüler in klassenübergreifenden Lerngruppen zu unterrichten. Jahrgangsübergreifende Gruppen sollen nur in Ausnahmefällen gebildet werden.
4.2 Unabwendbare Unterrichtskürzungen dürfen nicht einseitig zu Lasten des Religionsunterrichts gehen. Ist ein längerfristiger Unterrichtsausfall im Religionsunterricht zu befürchten, so soll im Einvernehmen mit den Lehrkräften, die die staatliche Lehrbefähigung und die kirchliche Bevollmächtigung besitzen, ein verstärkter Einsatz im Fach Religionslehre angestrebt werden. Ist dadurch eine Abhilfe nicht möglich, ist die zuständige Schulaufsicht zu informieren.
4.3 Die Erteilung des Unterrichts ist durch die Schulleiterin oder den Schulleiter sicherzustellen. Soweit der Unterrichtsbedarf durch geeignete Maßnahmen nicht gedeckt werden kann, prüft die zuständige Schulaufsicht, ob durch Neueinstellungen oder Versetzungen Abhilfe geschaffen oder durch zur Verfügung stehende Mittel eine nebenamtliche oder nebenberufliche Erteilung von Religionsunterricht ermöglicht werden kann.
5 Konfessionalität des Religionsunterrichts
5.1 Religionsunterricht ist grundsätzlich nach Konfessionen getrennt durchzuführen. Dies bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler an dem Unterricht derjenigen Konfession teilnehmen, der sie angehören.
5.2 Die Zulassung anderskonfessioneller Schülerinnen und Schüler zum Religionsunterricht ist Sache der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft. In der Regel entscheidet die Religionslehrerin oder der Religionslehrer in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft aufgrund einer schriftlichen Erklärung der Erziehungsberechtigten bzw. der religionsmündigen Schülerin oder des religionsmündigen Schülers. Gleiches gilt, wenn eine Schülerin oder ein Schüler keiner Konfession oder einer Konfession angehört, für die Religionsunterricht nicht erteilt wird.
5.3 In dem gemeinsamen Votum der katholischen (Erz-) Bistümer und der evangelischen Landeskirchen vom 14.05.1998 sind in diesem Zusammenhang kirchliche Grundsätze zur Konfessionalität des Religionsunterrichts formuliert (Anlage 1)3.
6 Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht
6.1 Konfessionelle Kooperation als Organisationsform des evangelischen und des katholischen Religionsunterrichts kann in Schulen aller Schulformen den Religionsunterricht stärken und zu seiner Qualität beitragen. Hierbei werden in einer Schule anstelle des Religionsunterrichts nach Nummer 5 gemischt-konfessionelle Lerngruppen für sowohl den evangelischen als auch den katholischen Religionsunterricht gebildet. Darin wird der Unterricht im Wechsel von Lehrerinnen und Lehrern für den evangelischen und für den katholischen Religionsunterricht mit kirchlicher Bevollmächtigung (§ 31 Absatz 3 SchulG) erteilt. Evangelische Religionslehre und katholische Religionslehre bleiben eigenständige Fächer.
6.2 Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht ist möglich, wenn an einer Schule Religionsunterricht beider Bekenntnisse eingerichtet ist. Allein die Zulassung anderskonfessioneller Schülerinnen und Schüler zum Religionsunterricht (Nummer 5.2) begründet keine konfessionelle Kooperation.
6.3 Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht einer Schule setzt eine Vereinbarung zwischen der örtlich zuständigen Evangelischen Landeskirche und dem örtlich zuständigen katholischen (Erz-)Bistum voraus. Die zuständige Schulaufsichtsbehörde informiert die Schulen auf Anfrage über eine solche zwischenkirchliche Vereinbarung. Die Vereinbarungen sind auf den Homepages der katholischen (Erz-)Bistümer und der evangelischen Landeskirchen zugänglich. Darüber hinaus sind für die einzelne Schule ein Antrag und die Genehmigung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde erforderlich.
6.4 Den Antrag einer Schule auf Genehmigung der konfessionellen Kooperation stellt die Schulleiterin oder der Schulleiter.
6.4.1 Ein Antrag erstreckt sich
- in der Grundschule auf die Klassen 1 und 2 oder 3 und 4 oder beide Doppeljahrgänge,
- in der Sekundarstufe I auf die Klassen 5 und 6 oder 7 und 8 oder die Klassen danach bis zum Ende der Sekundarstufe I oder mehrere dieser Doppeljahrgänge,
- in Berufskollegs auf Bildungsgänge.
Die Schulleiterin oder der Schulleiter legt den schriftlichen Antrag mit dem Konzept nach Nummer 6.4.2 und der Stellungnahme der Schulkonferenz nach Nummer 6.4.4 nach folgendem innerschulischen Verfahren der Schulaufsichtsbehörde zur Genehmigung vor:
6.4.2 Die Fachkonferenzen für den evangelischen Religionsunterricht und für den katholischen Religionsunterricht, in Berufskollegs die Bildungsgangkonferenzen, erarbeiten und beschließen auf der Grundlage der Lehrpläne, in Berufskollegs der Bildungspläne, ein fachdidaktisches und fachmethodisches Konzept. Das Konzept bildet die für den Unterricht vorgesehenen konfessionsverbindenden und konfessionsspezifischen Themen ab.
6.4.3 Das fachdidaktische und fachmethodische Konzept sieht einen verbindlichen Fachlehrerwechsel innerhalb der in Nummer 6.4.1 genannten Jahrgänge vor, damit die Schülerinnen und Schüler beide Konfessionen kennenlernen und reflektieren können.
6.4.4 Die Schulleiterin oder der Schulleiter informiert die Schulkonferenz über den beabsichtigten Antrag und gibt ihr die Gelegenheit, sich dazu zu äußern.
6.5 Die Schulaufsichtsbehörde unterrichtet die zuständigen kirchlichen Oberbehörden über den Antrag und ihre beabsichtigte Entscheidung. Sind die Voraussetzungen für die konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht erfüllt und haben die kirchlichen Oberbehörden ihr Einvernehmen erklärt, genehmigt die Schulaufsichtsbehörde den Antrag der Schule für zunächst drei Jahre.
6.6 Gemeinsame kirchliche Fortbildungsveranstaltungen zur konfessionellen Kooperation im Religionsunterricht für die Lehrerinnen und Lehrer dienen der Qualität dieses Unterrichts. Die Teilnahme daran ist eine wesentliche Voraussetzung für das Einvernehmen der kirchlichen Oberbehörden nach Nummer 6.5.
6.7 Die Fachlehrerin oder der Fachlehrer, die oder der den Unterricht erteilt hat, bewertet die Leistungen der Schülerinnen und Schüler. In den Zeugnissen werden diese Leistungen ebenso wie im Religionsunterricht nach Nummer 5 unter der Fächerbezeichnung „Religionslehre“ ausgewiesen.
7 Teilnahme am Religionsunterricht
7.1 Die Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, an dem Religionsunterricht ihrer Konfession oder Religionsgemeinschaft teilzunehmen, soweit sie nicht gemäß § 31 Absatz 6 SchulG befreit sind.
7.2 Eine Abmeldung ist schriftlich gegenüber der Schulleiterin oder dem Schulleiter entweder durch die Erziehungsberechtigten oder nach Erreichen der Religionsmündigkeit (ab 14 Jahre) von der Schülerin oder dem Schüler selbst mitzuteilen. Melden sich Minderjährige vom Religionsunterricht ab, so sind deren Erziehungsberechtigte darüber zu informieren.
Die Befreiung vom Religionsunterricht kann nicht an bestimmte Termine gebunden werden. Bei Widerruf der Erklärung besteht die Pflicht zum Besuch des Religionsunterrichtes. Wenn hinreichende Beurteilungsgrundlagen vorliegen, wird eine Note erteilt. Die Schule kann aus schulorganisatorischen Gründen die erneute Teilnahme auf den Beginn eines Schulhalbjahres beschränken.
7.3 Die Schule hat gegenüber Schülerinnen und Schülern, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, eine Aufsichtspflicht, die sich auch auf Freistunden erstreckt.
8 Sonderfälle zur Organisation des Religionsunterrichts
8.1 Die Regelung von Sonderfällen für den Religionsunterricht in der gymnasialen Oberstufe ist in Anlage 2 VV zur APO-GOSt (BASS 13-32 Nr. 3.2) enthalten.
8.2 m Berufskolleg ergänzen die Fächer des berufsübergreifenden Lernbereichs die berufliche Qualifizierung und tragen darüber hinaus zur allgemeinen Kompetenzentwicklung bei, indem sie zentrale gesellschaftliche, kulturelle, ethische und religiöse Fragen in die Ausbildung einbeziehen. Der zeitliche Umfang des Religionsunterrichts ergibt sich aus denAnlagen zur APO-BK (BASS 13-33 Nr. 1.1).
8.3 Die Kirchen und die Organisationen der Berufsbildung in Nordrhein-Westfalen haben am 23.12.1998 eine Gemeinsame Erklärung „Berufsausbildung in Nordrhein-Westfalen: Kompetenzbildung mit Religionsunterricht“ herausgegeben (Anlage 2)4.
8.4 Nehmen Schülerinnen und Schüler an Bildungsgängen des Berufskollegs, die zur allgemeinen Hochschulreife führen, nicht am Fach Religion teil, so erhalten sie gemäß dem Angebot der Schule Unterricht in einem Fach, das dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld im berufsübergreifenden Lernbereich zugeordnet ist. Dieses Fach ist versetzungsrelevant.
8.5 Für das Berufskolleg sind evangelische und katholische Bezirksbeauftragte als kirchliche Bevollmächtigte eingesetzt. Sie beraten die Schulleitungen in Fragen des Religionsunterrichts und dessen Sicherstellung gemäß Runderlass vom 17.02.1995 (BASS 21-11 Nr. 9).
9 Unterricht für Schülerinnen und Schüler,
die nicht am Religionsunterricht teilnehmen
9.1 Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, sind zur Teilnahme am Fach Praktische Philosophie verpflichtet, soweit dieses Fach in der Ausbildungsordnung vorgesehen und an der Schule eingerichtet ist.
9.2 In der gymnasialen Oberstufe sind Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, zur Belegung des Faches Philosophie nach § 32 SchulG verpflichtet.
10 Katholische Seelsorgestunde und
evangelische Kontaktstunde
Die katholische Seelsorgestunde und die evangelische Kontaktstunde in der Grundschule richten sich nach Nummer 3.1.228.04.20202 VVzAO-GS (BASS 13-11 Nr. 1.2).
1 Bereinigt. Eingearbeitet:
RdErl. v. 02.06.2023 (ABl. NRW. 06/23); RdErl. v. 15.08.2017 (ABl. NRW. 09/17 S. 34); RdErl. v. 17.07.2015 (ABl. NRW. S. 354)
2 Islamischer Religionsunterricht wird in Nordrhein-Westfalen nach §132a SchulG unterrichtet. An den Grundschulen des Landes wird alevitischer Religionsunterricht und Religionsunterricht nach den Grundsätzen der Mennonitischen Brüdergemeinden in Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines Schulversuchs unterrichtet.
3 hier nicht abgedruckt; Text der Anlage 1 siehe ABl. NRW. 11/02 S. 440
4 hier nicht abgedruckt; Text der Anlage 2 siehe ABl. NRW. 07/03 S. 228