14-23 Nr. 4

Mehr Freiräume
für innovative schulische Vorhaben

RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung
v. 02.07.2012 (ABl. NRW. S. 431)1

1 Grundlagen

1.1 Nordrhein-Westfalen geht weiter konsequent den Weg zu einer eigenverantwortlichen Schule, die mit der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler zugleich Leistungs- und Bildungsgerechtigkeit schafft und Verantwortung für die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit übernimmt. Das Schulgesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen enthalten deswegen erheblich ausgeweitete Freiräume, die von den Schulen in eigener Verantwortung auszufüllen sind. Seit 2008 wird den eigenverantwortlichen Schulen im Bereich von Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung die Möglichkeit eröffnet, innovative schulische Vorhaben bei

1. der Bildung von Lerngruppen,

2. der Organisation des Unterrichts,

3. den Formen der äußeren Differenzierung,

4. der Ausgestaltung der Leistungsnachweise, der Leistungsbewertung und deren Bescheinigung,

5. dem Übergang in eine höhere Klasse oder Jahrgangsstufe,

6. den Vorgaben der Richtlinien, Lehrpläne und Stundentafeln

als Entwicklungsvorhaben gem. § 25 Absatz 3 SchulG (BASS 1-1) zu erproben.

1.2 Alle Schulen erhalten auch zukünftig unter den nachstehenden Voraussetzungen die Möglichkeit, in einem Entwicklungsvorhaben gem. § 25 Absatz 3 SchulG für längstens sechs Schuljahre innovative schulische Modelle der Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung im Sinne von Nummer 1.1 unter Abweichung von Vorschriften der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen zu erproben.

2 Qualitätsentwicklung und Standardsicherung

2.1 Bei der Durchführung des Entwicklungsvorhabens muss gewährleistet sein, dass grundlegende Leitentscheidungen des Schulgesetzes und der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen eingehalten werden und dass die von den Schülerinnen und Schülern erworbenen Abschlüsse aufgrund vergleichbarer Anforderungen wie an den anderen Schulen erworben werden. Die Einhaltung der Bildungsstandards und die Anerkennung der Abschlüsse in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland müssen gesichert sein.

2.2 Abweichungen von den Regelungen zur Leistungsbewertung gem. § 48 SchulG und zur Dokumentation von Fehlzeiten gem. § 49 Absatz 2 SchulG einschließlich der zu diesen Bestimmungen erlassenen Ausführungsvorschriften sind im Interesse der Gleichbehandlung aller Schülerinnen und Schüler nicht möglich. Dies gilt auch für den Inhalt und die Ausgestaltung von Abschluss-, Überweisungs- und Abgangszeugnissen.

2.3 Regelungen für das Abschlussverfahren zum Erwerb des Hauptschulabschlusses nach Klasse 10 und des mittleren Schulabschlusses (Fachoberschulreife) gem. § 12 Absatz 3 SchulG und für die Abiturprüfung gem. § 18 Absatz 4 SchulG bleiben durch Entwicklungsvorhaben ebenfalls unberührt.

3 Schulentwicklungskonferenz

3.1 Entwicklungsvorhaben sind auf ihre Wirkungen und Ergebnisse zu überprüfen. Hierzu richtet das Ministerium eine schulformübergreifende Schulentwicklungskonferenz ein, welche die Entwicklungsvorhaben begleitet.

Die Schulentwicklungskonferenz

- begutachtet beantragte Entwicklungsvorhaben und gibt gegenüber dem Ministerium ein Votum ab,

- wertet die von den Schulen mit Entwicklungsvorhaben vorzulegenden Berichte daraufhin aus, ob und wieweit diese Vorhaben auf das gesamte Schulwesen übertragbar sind,

- gibt den Schulen Impulse für die weitere Entwicklung,

- gibt gegenüber dem Ministerium eine Empfehlung über aus den Entwicklungsvorhabens zu ziehende Konsequenzen ab.

3.2 Als Mitglieder beruft das Ministerium:

- eine Vertreterin oder einen Vertreter des Ministeriums als Vorsitzende oder Vorsitzenden, der oder dem auch die Geschäftsführung obliegt,

- drei weitere Vertreterinnen oder Vertreter des Ministeriums,

- jeweils eine Vertreterin oder einen Vertreter aus der Schulleitung der antragstellenden Schulform,

- zwei Vertreterinnen oder Vertreter der Schulaufsicht der antragstellenden Schulformen (davon für Entwicklungsvorhaben in Grundschulen, Hauptschulen und Förderschulen eine Vertreterin oder ein Vertreter der unteren Schulaufsicht),

- drei Vertreterinnen oder Vertreter der kommunalen Spitzenverbände.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Schulaufsicht kommen rollierend aus jeweils einer anderen Bezirksregierung.

4 Verfahren

4.1 Die Schulentwicklungskonferenz tritt zweimal pro Schuljahr zusammen. Die Termine und die Antragsfristen werden rechtzeitig bekanntgegeben.

4.2 Auf der Grundlage von § 25 Absatz 3 SchulG kann das Ministerium neue, von Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen abweichende, Entwicklungsvorhaben im Bereich der Unterrichtsorganisation und Unterrichtsgestaltung im Sinne von Nummer 1.1 zur Erprobung zulassen. Ein entsprechender, auf dem Dienstweg über die zuständigen Schulaufsichtsbehörden einzureichender Antrag an die Schulentwicklungskonferenz bedarf der Zustimmung der Schulkonferenz gem. § 65 Absatz 2 Nummer 1 SchulG. Inhalt, Ziel, Durchführung und Dauer sowie ein entsprechendes Evaluationskonzept werden in einem Programm festgelegt, das dem Antrag beizufügen ist. Dem Antrag ist die schulaufsichtliche Stellungnahme und ein Votum des Schulträgers beizufügen. Vor seiner Entscheidung holt das Ministerium eine Stellungnahme der Schulentwicklungskonferenz zu dem geplanten Vorhaben ein. Genehmigt das Ministerium ein Entwicklungsvorhaben, so gilt diese Genehmigung für die Dauer des Erprobungszeitraums von maximal sechs Schuljahren. Beantragt eine andere Schule die Übernahme des genehmigten Vorhabens, so bedarf es keiner nochmaligen inhaltlichen Prüfung seitens des Ministeriums und auch keiner vorherigen Befassung der Schulentwicklungskonferenz. Erforderlich ist jedoch eine Feststellung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde, dass ein bereits genehmigtes Entwicklungsvorhaben unter den gleichen Bedingungen für die jeweilige Schulform übernommen werden kann. Die Schulaufsichtsbehörde zeigt dies dem Ministerium an.

4.3 Spätestens sechs Monate vor Ablauf des Erprobungszeitraums legt die Schule der Schulentwicklungskonferenz einen mit einer Stellungnahme der zuständigen Schulaufsichtsbehörde versehenen Evaluationsbericht über ihr Entwicklungsvorhaben vor. Folgende Empfehlungen können für die evaluierten Schulentwicklungsvorhaben von der Schulentwicklungskonferenz abgegeben werden:

a) Das Entwicklungsvorhaben erweist sich als geeignet. Die Schulentwicklungskonferenz empfiehlt, das Vorhaben - gegebenenfalls mit Modifikationen - fortzuführen und im Zuge einer Reform der Ausbildungs- und Prüfungsordnung eine entsprechende Rechtsänderung vorzunehmen.

b) Das Entwicklungsvorhaben erweist sich als nicht geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen. Die Schulentwicklungskonferenz empfiehlt, das Vorhaben zu beenden.

4.4 Bei der Entscheidung zur Weiterführung oder Beendigung der Entwicklungsvorhabens berücksichtigt das Ministerium die Stellungnahme der Schulentwicklungskonferenz.

5 Transparenz der Entwicklungsvorhaben

5.1 Entwicklungsvorhaben sind als Teil des Schulprogramms von der Schule in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Eltern sind bei der Schulanmeldung über die Durchführung und den Inhalt des Entwicklungsvorhabens zu informieren.

5.2 Das Ministerium veröffentlicht im Bildungsportal eine Liste der genehmigten Entwicklungsvorhaben. Bei den einzelnen Entwicklungsvorhaben werden Laufzeit und Normen der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen genannt, von denen im Rahmen des Vorhabens abgewichen wird.

6 Schlussbestimmungen

Gegenstandslos

 


1 Bereinigt. Eingearbeitet:
RdErl. v. 18.08.2012 (ABl. NRW. S. 484)