15-02 Nr. 21

Schulische Bildung
von Kindern aus Familien beruflich Reisender
in Grundschulen und Schulen der Sekundarstufe I

RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung
v. 14.10.2005 (ABl. NRW. S. 411)1

Die schulische Bildung von Kindern aus Familien beruflich Reisender wird in den Grundschulen und in den Schulen der Sekundarstufe I des Landes Nordrhein-Westfalen wie folgt gestaltet:

1 Anmeldung an einer Schule

1.1 Die Eltern melden ihr Kind gemäß § 41 Abs. 1 Schulgesetz (SchulG - BASS 1-1) für die Grundschule des Schuleinzugsbereichs an, in dem der Wohnsitz oder Winterstandort der Familie liegt bzw. an einer wohnortnahen Grundschule. Diese Schule ist die Stammschule der Schülerin oder des Schülers in der Primarstufe, solange die Familie dort ihren Winterstandort hat. Für reisende Kinder ohne dauerhaftes Winterquartier benennt die Schulaufsicht in Abstimmung mit den Eltern und der Bereichslehrkraft die Stammschule.

1.2 Die Aufnahme in eine weiterführende Schule, die dann Stammschule wird, erfolgt gemäß § 8 AO-GS (BASS 13-11 Nr. 1.1). Die Eltern werden bei der Wahl der weiterführenden Schule beraten.

2 Stammschule

2.1 Die Stammschule ist für die schulische Betreuung des reisenden Kindes ganzjährig zuständig. Sie arbeitet dabei mit den Bereichslehrkräften zusammen. Sie übernimmt die Schullaufbahnberatung als unverzichtbare Aufgabe.

2.2 Die Schule und die Bereichslehrkraft helfen dem von der Reise kommenden Kind, den Anschluss an die in der Jahrgangsstufe zu erbringenden Leistungen zu erreichen und bei der Integration in seine Klasse.

2.3 Lernrückstände sollen durch das Angebot besonderer Fördermaßnahmen abgebaut werden.

2.4 Die Stammschule führt das Schülerstammblatt und stellt die Schulbücher sowie das Schultagebuch (vgl. Nr. 7) zur Verfügung.

2.5 Die Stammschule informiert die Eltern über die Aufgaben der Stützpunktschulen (vgl. Nr. 3).

2.6 Die Stammschule erstellt in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch als erste Fremdsprache für das einzelne Kind individuelle Lernpläne, anhand derer das Kind auf der Reise in den Stützpunktschulen binnendifferenziert lernt.

2.7 Beim Wechsel der Stammschule setzt sich die neue Stammschule mit der abgebenden Stammschule in Verbindung.

3 Stützpunktschulen

3.1 Stützpunktschulen sind jeweils die dem Platz, auf dem das Unternehmen/die Familie gastiert oder wohnt, nächstgelegenen Schulen. Sie sind verpflichtet, mit den Bereichslehrkräften zusammenzuarbeiten und diese in ihrer Tätigkeit zu unterstützen. Die Stützpunktschulen suchen den Kontakt mit der Stammschule.

3.2 Die Stützpunktschulen sollen sich auf ihre besondere Betreuungsaufgabe für die Dauer des Aufenthaltes der reisenden Schülerinnen und Schüler einstellen.

3.3 Für Circusse gibt es häufig keine festen Plätze oder frühzeitig angekündigten Termine. Stützpunktschulen in der Nähe von Circusspielorten müssen deshalb ein höheres Maß an Aufnahmebereitschaft und Flexibilität aufweisen.

3.4 In der Stützpunktschule arbeiten die Schülerinnen und Schüler in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch als erste Fremdsprache - ab Klasse 3 - (Primarstufe) bzw. Deutsch, Mathematik und Englisch als fortgeführte erste Fremdsprache (Sekundarstufe I) anhand ihrer von der Stammschule erhaltenen Bücher und individuellen Lernpläne. Den Schülerinnen und Schülern ist Gelegenheit zur Teilnahme am offenen Ganztagsunterricht der Grundschulen zu ermöglichen.

3.5 Für die kurze Zeit des Aufenthalts an den Stützpunktschulen sollen zusätzliche Fördermaßnahmen angeboten werden.

3.6 Bei Bedarf stattet die Stützpunktschule nach Rücksprache mit der Stammschule und der Bereichslehrkraft die reisenden Schülerinnen und Schüler mit Büchern und dem Schultagebuch aus. Insbesondere halten die Stützpunktschulen vorsorglich ein Exemplar des Schultagebuchs bereit.

4 Bereichslehrkräfte

Die Bezirksregierungen berufen zur Unterstützung der schulischen Förderung reisender Kinder und Jugendlicher Lehrkräfte und koordinieren ihren Einsatz in Zusammenarbeit mit den Schulämtern.

4.1 Die Bereichslehrkräfte unterstützen den Schulbesuch reisender Kinder insbesondere durch

- die Vorbereitung der Stützpunktschulen auf den Schulbesuch der Kinder,

- die Erteilung von unterrichtsergänzenden Fördermaßnahmen und Hausaufgabenbetreuung im Zusammenhang mit dem Schulbesuch der Kinder an Stützpunktschulen und Stammschulen,

- Sammlung und Entwicklung geeigneter Unterrichtsmaterialien,

- die Beratung von Stammschulen bei der Erstellung der individuellen Lernpläne sowie bei der Leistungsbewertung, Schullaufbahngestaltung und Schullaufbahnentscheidungen,

- die Herstellung von Kontakten zwischen Eltern, Stammschulen und Stützpunktschulen sowie ggf. weiteren Schulen und Behörden oder Beratungsstellen,

- die geregelte Übergabe von Kindern an andere Schulen und andere Bereichslehrkräfte,

- die Beratung von Eltern, Kindern und Lehrkräften,

- Unterstützung der Schülerinnen und Schüler bei der Vorbereitung auf zentrale Prüfungen,

- Kontrolle von Lernstandsberichten und von Schultagebüchern während der Reisezeit,

- die Entwicklung von und Mitwirkung an innovativen Unterrichtsverfahren (z.B. Fernlernen, E-Learning).

Im Rahmen vorhandener Zeitressourcen können die Bereichslehrkräfte begleitend, z.B. durch Kontakte mit den Eltern und betroffenen Institutionen, terminliche Koordination von Sprachfeststellungsprüfungen u.ä. mit in das Feld der frühen Förderung einbezogen werden.

Die Tätigkeit der Bereichslehrkräfte wird von der zuständigen Schulaufsicht bzw. von ihr Beauftragten koordiniert und als Lehrertätigkeit in einem „virtuellen Lehrerkollegium der Bereichslehrkräfte“ definiert. Die Dokumentation und Weitergabe von Schülerdaten unterliegt den Rechtsgrundsätzen, die auch für den Umgang mit Schülerdaten in einem Lehrerkollegium einer Schule gelten.

4.2 Ressourcen

Die Bereichslehrkräfte erhalten zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben Zeitressourcen nach Maßgabe des Haushalts. Dabei können je nach Zuschnitt der Bereiche, der Aufgabenschwerpunkte und der Frequentierung durch Schülerinnen und Schüler unterschiedliche Zeitressourcen erforderlich werden.

Die im Zusammenhang mit der schulischen Bildung der reisenden Kinder entstehenden Fahrt- und Kommunikationskosten werden gemäß der rechtlichen Bestimmungen (Landesreisekostengesetz - LRKG) sowie der arbeitsorganisatorischen Vorgaben der zuständigen Schulaufsicht erstattet.

4.3 Berichte

Bereichslehrkräfte dokumentieren ihre Tätigkeit durch regelmäßige Berichterstattung gegenüber der Bezirksregierung.

5 Schulämter

5.1 Die Schulämter benennen - im Einvernehmen mit dem Schulträger und ggf. mit der Bezirksregierung - in jeder Stadt oder Gemeinde Schulen, die die reisenden Schülerinnen und Schüler während der Reisesaison aufnehmen (Stützpunktschulen). Dabei sind die Schulbesuchswünsche der Eltern zu berücksichtigen.

5.2 Die Schulämter stellen den jeweiligen platzvergebenden Institutionen Informationsblätter zur Weitergabe an die reisenden Familien zur Verfügung, aus denen hervorgeht, welche die jeweiligen Stützpunktschulen vor Ort sind. In der Regel sollen diese Informationen zusammen mit der Platzzusage an die Antragsteller/Bewerber versandt werden.

5.3 Zur Gewinnung von Planungsgrundlagen und zur Weiterentwicklung von Förderkonzepten ermitteln die Schulämter auf Schulamtsebene unabhängig von der Erhebung in den Amtlichen Schuldaten die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die Stamm- und Stützpunktschulen besuchen.

6 Leben und Lernen auf der Reise
Handreichung zum Schultagebuch und zu Fragen der
schulischen Bildung der Kinder beruflich Reisender

Eine im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte Handreichung „Leben und Lernen auf der Reise“ - Handreichung zum Schultagebuch und zu Fragen der schulischen Bildung der Kinder beruflich Reisender - soll die schulische Bildung der reisenden Kinder unterstützen und somit die Unterrichtssituation für die reisenden Schülerinnen und Schüler wie auch für die Lehrerinnen und Lehrer erleichtern und verbessern.

7 Schultagebuch

7.1 Einen wichtigen Schwerpunkt der Handreichung bildet das neue vereinheitlichte Schultagebuch für reisende Kinder. Es leistet einen zentralen Beitrag zur Unterstützung der schulischen Bildung von Kindern beruflich Reisender und ist Grundlage bei der Dokumentation des Lernprozesses, zur Leistungsbewertung und zur Zeugniserteilung.

Die Kultusministerkonferenz hat vereinbart, dieses Schultagebuch in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland zu verwenden.

Das Schultagebuch ist nach dem Muster des Anhangs 1 zur Handreichung zu gestalten.

7.2 Das Schultagebuch erhalten die Schülerinnen und Schüler vor Beginn der Reisesaison von der Stammschule oder von der zuerst besuchten Grundschule. Es begleitet das Kind während der gesamten Schulzeit, hilft Lehrerinnen und Lehrern auf der Reise, das zutreffende Unterrichtsangebot bereitzustellen und ermöglicht den Eltern einen Überblick über den Lernfortschritt ihres Kindes.

Die Eltern sind verpflichtet, den Schulen das Tagebuch zu Beginn des Schulbesuchs vorzulegen. Bei Verlust sind die Eltern gehalten, Ersatz zu beschaffen.

7.3 Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer sind verpflichtet, das Schultagebuch sorgfältig auszufüllen und eine Kopie der an ihrer Schule erstellten Lernstandsberichtsseite(n) an die Stammschule zu senden. Das Schultagebuch verbleibt am Ende der Schulzeit in den Händen der Schülerin oder des Schülers.

8 Lernbausteine für die Fächer Deutsch, Mathematik und
1. Fremdsprache (Englisch bzw. Französisch)

Aufgrund eines Beschlusses der Kultusministerkonferenz werden gemäß § 29 SchulG (BASS 1-1) Lernbausteine/Beschreibungen erwarteter Leistungen für die Fächer Deutsch, Mathematik und 1. Fremdsprache (Englisch bzw. Französisch) festgesetzt.

Die Lernbausteine stellen eine Planungshilfe für die Entwicklung individueller Lernpläne dar. Sie basieren auf den in der Kultusministerkonferenz vereinbarten Bildungsstandards und sind dementsprechend den Jahrgangsstufen 1 bis 4 und 5 bis 10 zugeordnet.

Die Lernbausteine, insbesondere die zur ersten Fremdsprache, sollen nach einer fünfjährigen Praxiserprobung evaluiert werden.

9 Leistungsbewertung

9.1 Grundlage der Leistungsbewertung sind die an der Stammschule erbrachten Leistungen und jene Lernfortschritte, die an den auf der Reise besuchten Schulen durch Eintragungen in das Schultagebuch und gegebenenfalls durch ergänzende Informationen nachgewiesen werden. Für die Übermittlung von Informationen zur Lernentwicklung und Leistungsbewertung an die Stammschule ist die Stützpunktschule verantwortlich.

9.2 Die reisenden Kinder erhalten von ihrer Stammschule zu den Zeugnisterminen Zeugnisse gemäß § 6 AO-GS (BASS 13-11 Nr. 1.1) und § 7 APO-S I (BASS 13-21 Nr. 1.1). Die Zeugnisse dokumentieren die Lernfortschritte der Schülerin oder des Schülers während des gesamten Schuljahres (Reisesaison und Winterpause). Das Halbjahreszeugnis (Winterzeugnis) enthält einen Hinweis auf die zu besuchende Klasse. Das Sommerzeugnis enthält einen Versetzungsvermerk. Die Zeugnisse sollen eine zusätzliche Motivation für den weiteren Schulbesuch bewirken. Auf Wunsch der Eltern kann das Halbjahreszeugnis auch am Ende des Aufenthalts im Winterquartier ausgestellt werden.

10 Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner

In jedem Schulamt sowie in jeder Bezirksregierung und im Ministerium für Schule und Bildung steht eine zuständige Ansprechpartnerin oder ein zuständiger Ansprechpartner zur Verfügung.

11 Schule für Circuskinder

Die für die Schule für Circuskinder der Evangelischen Kirche im Rheinland getroffenen Regelungen bleiben unberührt.

12 Bezugsquellen

Die Handreichung mit den Lernbausteinen, dem Schultagebuch und weiteren Dokumentationshilfen im Anhang stehen unter der Internet-Seite www.schulministerium.nrw/unterricht-fuer-kinder-von-beruflich-reisenden zum Download zur Verfügung.

 

 


1 Bereinigt. Eingearbeitet:
RdErl. v. 23.09.2009 (ABl. NRW. S. 518)