13-51 Nr. 2.1
Verordnung
über den Erwerb von Abschlüssen
der Sekundarstufe I
an Waldorfschulen (PO-Waldorf-S I)
Vom 21. Juni 2008
zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. März 2022
(GV. NRW. 2022 S. 405)1
mit2
Verwaltungsvorschriften
zur Verordnung über den Erwerb
von Abschlüssen der Sekundarstufe I
(VVzPO-Waldorf S I)
RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung
v. 05.01.2012 (ABl. NRW. S. 91)3
Auf Grund des § 52 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Schulgesetz NRW - SchulG) vom 15. Februar 2005 (GV. NRW. S. 102), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Juni 2008 (GV. NRW. S. 486), wird mit Zustimmung des Ausschusses für Schule und Weiterbildung des Landtags verordnet:
§ 1
Erwerb eines dem Ersten Schulabschluss
gleichwertigen Abschlusses
(1) Eine Schülerin oder ein Schüler erwirbt am Ende der Klasse 10 im Verfahren nach § 7 einen dem Ersten Schulabschluss gleichwertigen Abschluss, wenn sie oder er nach dem von der Waldorfschule erteilten Zeugnis die Versetzungsanforderungen der Hauptschule (§ 22 (§ 22 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 2 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I) erfüllt.
(2) Wurde das Fach Englisch nicht erteilt, tritt an seine Stelle die Fremdsprache, in der die Schülerin oder der Schüler in den Klassen 5 bis 10 unterrichtet worden ist.
§ 2
Erwerb eines dem Erweiterten Ersten Schulabschluss
gleichwertigen Abschlusses
(1) Eine Schülerin oder ein Schüler erwirbt am Ende der Klasse 11 einen dem Erweiterten Ersten Schulabschluss gleichwertigen Abschluss, wenn sie oder er nach dem Abschlussverfahren (§ 5) die Versetzungsanforderungen der Hauptschule (§ 22 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 2 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I) erfüllt.
(2) Als Fächer im Sinne von § 25 Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I gelten
1. Deutsch,
2. Mathematik,
3. der Lernbereich Naturwissenschaften (Biologie, Physik, Chemie),
4. der Lernbereich Gesellschaftslehre (Geschichte, Erdkunde, Politik).
(3) Wurde das Fach Englisch nicht erteilt, tritt an seine Stelle die Fremdsprache, in der die Schülerin oder der Schüler in den Klassen 5 bis 11 unterrichtet worden ist.
§ 3
Erwerb eines dem Mittleren Schulabschluss
(Fachoberschulreife)
gleichwertigen Abschlusses
(1) Eine Schülerin oder ein Schüler erwirbt am Ende der Klasse 11 einen dem Mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) gleichwertigen Abschluss, wenn sie oder er nach dem Abschlussverfahren (§ 5) die Versetzungsanforderungen der Realschule (§ 22 Abs. 1 und § 26 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I) erfüllt. An Waldorf-Förderschulen kann dieser Abschluss in besonderen Ausnahmefällen gemäß § 194 der Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (AO-SF) auch am Ende der Klasse 12 erworben werden.
(2) Als Fach des Wahlpflichtunterrichts im Sinne von § 26 Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I gelten die zweite Fremdsprache oder das Fach Kunst.
§ 4
Erwerb der Berechtigung zum Besuch
der gymnasialen Oberstufe
(1) Eine Schülerin oder ein Schüler erwirbt mit einem Abschluss gemäß § 3 die Berechtigung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe, wenn sie oder er die Anforderungen des § 43 Abs. 1 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I erfüllt. Sie oder er kann die Schullaufbahn in der Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe fortsetzen.
(2) Über die Berechtigung zum Besuch der Jahrgangsstufen 12 und 13 an Waldorfschulen entscheiden die Schulen selbst.
§ 5
Abschlussverfahren
(1) Das Ministerium bestimmt den landeseinheitlichen Termin für die Prüfungen zum Erwerb der Abschlüsse nach § 2 und § 3. Es stellt landeseinheitliche Prüfungsaufgaben und bestimmt die Bearbeitungsdauer.
(2) Die Prüfungsfächer im Abschlussverfahren zum Erwerb des Abschlusses gemäß § 2 sind Deutsch und Mathematik. In den übrigen Fächern wird die von der Waldorfschule erteilte Note im Verfahren nach § 7 ohne Abschlussverfahren in das Zeugnis aufgenommen. Die Prüfungsaufgaben erstrecken sich auf die erwarteten Lernergebnisse am Ende der Klasse 10 Typ A der Hauptschule.
(3) Die Prüfungsfächer im Abschlussverfahren zum Erwerb des Abschlusses gemäß § 3 sind Deutsch, Englisch und Mathematik. Im Übrigen gilt Absatz 2 Satz 2. Die Prüfungsaufgaben erstrecken sich auf die erwarteten Lernergebnisse am Ende der Klasse 10 der Realschule. An Waldorf-Förderschulen werden im Fach Deutsch die Prüfungsaufgaben gewählt, die für Schülerinnen und Schüler der Klasse 10 Typ B an Hauptschulen vorgesehen sind.
(4) Die Prüfungen werden schriftlich und in Fällen gemäß § 6 auch mündlich abgelegt.
(5) Jede Prüfungsarbeit wird mit einer Note bewertet (Prüfungsnote). Wenn keine mündliche Prüfung stattfindet, ist die Prüfungsnote zugleich die Endnote.
(6) Die Fachlehrerin oder der Fachlehrer der Waldorfschule beurteilt und bewertet die Prüfungsarbeit im Rahmen der vom Ministerium erstellten Beurteilungs- und Bewertungsgrundsätze und schlägt eine Note vor. Die Bezirksregierung beauftragt eine Lehrkraft einer öffentlichen Schule mit der Zweitkorrektur der Prüfungsarbeit. Weichen die Notenvorschläge voneinander ab und können sich die Lehrkräfte nicht einigen, zieht die Bezirksregierung eine weitere Lehrkraft einer öffentlichen Schule hinzu. In diesem Fall wird die Note im Rahmen der vorgeschlagenen Noten durch Mehrheitsbeschluss festgesetzt.
(7) Eine Schülerin oder ein Schüler kann Prüfungen nachholen, die sie oder er wegen einer durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheit oder aus einem anderen nicht zu vertretenden Grund versäumt hat. In den übrigen Fällen wird eine nicht erbrachte Leistung wie eine ungenügende Leistung bewertet.
(8) Die Prüfungsnote und die Jahresnote der Waldorfschule werden den Schülerinnen und Schülern zu einem vom Ministerium genannten Termin bekanntgegeben.
(9) Bei einem Täuschungsversuch gilt § 6 Abs. 7 Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I entsprechend. Die Entscheidung trifft die Bezirksregierung.
§ 6
Mündliche Prüfungen
(1) Weicht die Prüfungsnote um eine Note und mehr von der Jahresnote ab, kann die Schülerin oder der Schüler auf Antrag eine mündliche Prüfung ablegen.
(2) Die Prüfung wird durch einen Fachprüfungsausschuss aus der unterrichtenden Waldorf-Lehrkraft als Prüferin oder Prüfer sowie zwei staatlich bestellten Lehrkräften, die den Vorsitz und die Schriftführung übernehmen, abgenommen. Die Prüfungsaufgabe wird der Prüfungskommission spätestens zwei Tage vor der Prüfung zur Genehmigung vorgelegt. Die Endnote wird aus den Noten der schriftlichen und mündlichen Prüfung im Verhältnis eins zu eins ermittelt. Ergeben sich bei der Berechnung Dezimalstellen, entscheidet der Ausschuss in nochmaliger Abwägung der gesamten Prüfungsleistung.
(3) Für die mündlichen Prüfungen gilt § 36 Abs. 1, 2 und 4 APO-S I entsprechend.
(4) In Fächern mit zentraler Aufgabestellung finden keine Nachprüfungen statt.
§ 7
Abschlusszeugnis, Bescheinigung über Gleichwertigkeit
des erworbenen Abschlusses
(1) Die Schule reicht das Abschlusszeugnis der Klasse 10 oder der Klasse 11 bei der Bezirksregierung ein. Die Leistungen auf dem Zeugnis bewertet sie mit den Notenstufen gemäß § 48 Abs. 3 Schulgesetz NRW. Das in Gutachtenform erteilte Zeugnis fügt sie bei. Die Bezirksregierung kann weitere Unterlagen anfordern.
(2) Die Bezirksregierung bescheinigt den Erwerb des Abschlusses und der Berechtigung nach § 1 bis § 4.
(3) Die Schule bewahrt die Zweitschrift der Bescheinigung nach Absatz 2 zusammen mit der Zweitschrift des Abschlusszeugnisses 50 Jahre auf.
VV zu § 7
7.1 zu Absatz 1
Personen mit dem Geschlecht „divers“ und ohne Geschlechtsangabe erhalten geschlechtsneutrale Zeugnisse.
7.2 zu Absatz 2
Auf der Bescheinigung des Erwerbs eines dem Mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) gleichwertigen Abschlusses wird für die Fremdsprache Englisch bei mindestens ausreichenden Leistungen das Niveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) in Klammern ausgewiesen unter Verweis auf die folgende Fußnote:
„Für die Fremdsprache Englisch schließt das Zeugnis bei mindestens ausreichenden Leistungen Kompetenzen auf dem Niveau B1 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR) ein.“
Auf der Bescheinigung des Erwerbs eines dem Ersten Schulabschluss gleichwertigen Abschlusses, eines dem Erweiterten Ersten Schulabschluss gleichwertigen Abschlusses und eines dem Mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) gleichwertigen Abschlusses wird folgender Hinweis aufgenommen:
„Der Abschluss (Angabe des Abschlusses) ist im Deutschen und Europäischen Qualifikationsrahmen dem Niveau (Niveau 2 - Erster Schulabschluss und Erweiterter Erster Schulabschluss, Niveau 3 - Mittlerer Schulabschluss) zugeordnet.“
Personen mit dem Geschlecht „divers“ und ohne Geschlechtsangabe erhalten geschlechtsneutrale Bescheinigungen.
Der nachfolgende § 7a gilt nur im Schuljahr 2020/2021. |
§ 7a
Sonderregelungen für das Schuljahr 2020/2021
zum Erwerb von Abschlüssen und Berechtigungen
(1) Abweichend von § 6 Absatz 4 kann eine Schülerin oder ein Schüler zu einer Nachprüfung in den Prüfungsfächern im Abschlussverfahren zugelassen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Verbesserung um eine Notenstufe in mehr als einem Fach erforderlich ist, um einen Abschluss oder eine Berechtigung zu erwerben. Es finden dann mehrere Prüfungen statt. Die Waldorfschule teilt der Partnerschule den Stand ihrer Prüfungsvorbereitungen rechtzeitig mit.
(2) Für das Nachprüfungsverfahren gemäß Absatz 1 gilt § 23 Absatz 4 und 6 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I entsprechend. Für die Zusammensetzung des Fachprüfungsausschusses gilt § 6 Absatz 2 entsprechend. Für die Bescheinigung des Erwerbs des Abschlusses und der Berechtigung nach § 7 gilt § 44 Absatz 6 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung Sekundarstufe I entsprechend.
§ 8
Inkrafttreten, Übergangsvorschriften, Berichtspflicht
(1) Diese Verordnung tritt am 1. August 2008 in Kraft.5
(2) (gegenstandslos)
(3) Das Ministerium überprüft die Auswirkungen dieser Verordnung und unterrichtet den Ausschuss für Schule und Weiterbildung des Landtags bis spätestens 31. Dezember 2013 über das Ergebnis der Überprüfung.
1 Die Änderungen durch diese Verordnung treten zum 01.08.2022 in Kraft. Die entsprechenden Anpassungen in den Verwaltungsvorschriften treten ebenfalls zum 01.08.2022 in Kraft.
2 Der Text der Rechtsverordnung ist halbfett gedruckt. Hinter den Paragraphen der RechtsVO sind jeweils unmittelbar die entsprechenden Verwaltungsvorschriften (in Normalschrift) abgedruckt. Die Verwaltungsvorschriften beziehen sich entweder auf den gesamten Paragraphen oder auf einzelne Absätze. Die Absätze sind in der RechtsVO durch Einklammern einer Zahl, z.B. (1), gekennzeichnet.
3 Bereinigt. Eingearbeitet:
RdErl. v. 20.03.2024 (ABI. NRW. 04/24); RdErl. v. 22.05.2018 (ABl. NRW. 06/18 S. 42)
4 jetzt: § 21 Absatz 8 AO-SF (BASS 13-41 Nr. 2.1)
5 Die Inkrafttretensregelung bezieht sich auf die Verordnung in der ursprünglichen Fassung. Die vorliegende Fassung ist am 01.08.2022 (GV. NRW. 2022 S. 405) in Kraft getreten.