Gemeinsames Lernen
in der Grundschule
RdErl. d. Ministeriums für Schule und Bildung
v. 12.03.2021 - 511-6.08.01-162110
1 Vorbemerkungen und Zielsetzung
Das Gemeinsame Lernen in der Grundschule folgt der Grundphilosophie „Kurze Beine - Kurze Wege“. Es soll daher grundsätzlich an allen Grundschulen eingerichtet werden.
Im Kontext des Masterplans Grundschule hat sich die Landesregierung für eine intensive zusätzliche personelle Unterstützung des Gemeinsamen Lernens in der Grundschule entschieden. Hierfür werden in den kommenden Jahren einerseits insgesamt 800 zusätzliche Stellen bereitgestellt. Davon sind 400 Stellen für Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung und 400 Stellen für weitere pädagogische Berufsgruppen, die im Gemeinsamen Lernen der Klassen 3 und 4 eingesetzt werden, vorgesehen. Dieser Stellenausbau soll zum Schuljahr 2021/22 beginnen. Darüber hinaus wird andererseits die Zahl der Stellen für Sozialpädagogische Fachkräfte der Schuleingangsphase, die auch im Rahmen der individuellen Förderung das Gemeinsame Lernen unterstützen können, schrittweise von derzeit 1.750 auf insgesamt 3.000 Stellen erhöht.
Die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens an Grundschulen setzt voraus, dass diese über Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung im Kollegium verfügen und gegebenenfalls durch weiteres pädagogisches Personal unterstützt werden. Angesichts des derzeitigen Mangels an entsprechend ausgebildeten Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung ist eine Ausweitung des Gemeinsamen Lernens nur schrittweise erreichbar. Die Einzelheiten zur Unterstützung des Gemeinsamen Lernens in der Grundschule werden in einem gesonderten Erlass geregelt.
Um das Gemeinsame Lernen an Grundschulen wohnortnah zu ermöglichen und die Qualität der inklusiven Angebote zu steigern, ist es erforderlich, die Angebote inklusiven Unterrichts an Grundschulen nach der in diesem Erlass beschriebenen Systematik zu strukturieren.
2 Grundlagen
Zu Beginn der Schuleingangsphase wird der Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung einer Schülerin oder eines Schülers insbesondere im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen vielfach noch nicht förmlich festgestellt.
2.1 Wird der Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung einer Schülerin oder eines Schülers im Verfahren nach §§ 10 ff. der Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung (AO-SF - BASS 13-41 Nr. 2.1) förmlich festgestellt, schlägt das Schulamt den Eltern mindestens eine Schule vor, an der ein Angebot zum Gemeinsamen Lernen eingerichtet ist (§ 16 Absatz 1 AO-SF). Entscheiden sich die Eltern für eine Förderschule, schlägt ihnen das Schulamt gemäß § 16 Absatz 2 AO-SF mindestens eine solche Schule mit dem für die Schülerin oder den Schüler festgestellten Förderschwerpunkt vor.
2.2 Gemeinsames Lernen an Grundschulen richtet die Schulaufsichtsbehörde (das Schulamt) ein.
2.3 An einer Schule wird Gemeinsames Lernen nach Anhörung der Schulleitung mit schriftlicher Zustimmung des Schulträgers eingerichtet, wenn das Schulamt dies über den Einzelfall hinaus durch eine an den Schulträger gerichtete Verfügung dauerhaft an einer Schule etabliert. Die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde ist gegenüber der Schule rechtlich als Weisung zu qualifizieren.
2.4 Die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens setzt voraus, dass nach den Feststellungen des Schulamtes die personellen und sächlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind oder mit vertretbarem Aufwand erfüllt werden können (§ 20 Absatz 5 SchulG - BASS 1-1). Die Aufnahme einzelner Schülerinnen oder Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung definiert eine allgemeine Schule nicht als Schule, an der Gemeinsames Lernen eingerichtet ist.
2.5 In der Verfügung zur Einrichtung des Gemeinsamen Lernens bestimmt das Schulamt, auf welchen Förderschwerpunkt oder welche Förderschwerpunkte sich das Gemeinsame Lernen an einer Schule erstreckt. Im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen wird Gemeinsames Lernen immer gemeinsam für die Förderschwerpunkte Lernen, Sprache sowie Emotionale und soziale Entwicklung eingerichtet.
2.6 Diese Verfügung kann weiterhin die Festlegung der möglichen Gesamtzahl derjenigen Schülerinnen und Schüler, deren Bedarf an sonderpädagogischer Förderung bei der Aufnahme in die Schule bereits festgestellt ist, umfassen. Bei dieser Festlegung berücksichtigt das Schulamt, soweit möglich, in welchem Umfang weiterer sonderpädagogischer Förderbedarf bei Schülerinnen und Schülern der Schule nach der Schuleingangsphase üblicherweise besteht.
2.7 Änderungen bedürfen einer neuen Zustimmung des Schulträgers.
2.8 Auch bei einer Einzelintegration holt das Schulamt nach Anhörung der Schulleitung die Zustimmung des Schulträgers nach § 19 Absatz 5 Satz 3 SchulG ein. Unberührt bleibt, dass ein Schulträger seine generelle Zustimmung zur Einzelintegration in bestimmten Förderschwerpunkten oder in allen Förderschwerpunkten erteilen kann.
2.9 Für die Schulform Grundschule ist die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens gemäß § 20 Absatz 5 SchulG Aufgabe des Schulamtes. Vorher erörtert sie die beabsichtigte Maßnahme mit dem Schulträger mit dem Ziel des Einvernehmens und holt seine Zustimmung ein. Auch kann ein Schulträger dem Schulamt vorschlagen, Gemeinsames Lernen einzurichten.
2.10 Ein Schulträger kann seine Zustimmung nur verweigern, um Belange nach § 79 SchulG zur Geltung zu bringen. Hält das Schulamt eine Verweigerung der Zustimmung für rechtswidrig, veranlasst es über die Kommunalaufsichtsbehörde (Kreis oder Bezirksregierung) gegenüber dem Schulträger eine Maßnahme gemäß § 123 der Gemeindeordnung.
3 Gemeinsames Lernen an Grundschulen
ab dem Schuljahr 2021/22
3.1 Das Schulamt überprüft bis 1. August 2021 und danach bei Bedarf für jede Grundschule des Gemeinsamen Lernens, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür über das Schuljahr 2020/2021 hinaus erfüllt werden können. Sie hört den Schulträger dazu an.
3.2 Für ein Angebot des Gemeinsamen Lernens ab dem Schuljahr 2021/2022 gelten im Einzelnen folgende Qualitätskriterien:
3.2.1 Ein Inklusionskonzept der Schule liegt vor oder wird mit Unterstützung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde (Schulamt) erarbeitet.
3.2.2 Der Einsatz von Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung an der Schule und die pädagogische Kontinuität sind gewährleistet.
3.2.3 Das Kollegium wurde oder wird systematisch im Themenfeld Inklusion fortgebildet (siehe u.a. BASS 20-22 Nr. 8 Anlage 4).
3.2.4 Die sächliche, namentlich die räumliche Ausstattung der Schule ermöglicht Gemeinsames Lernen (siehe dazu auch § 1 des Gesetzes zur Förderung kommunaler Aufwendungen für schulische Inklusion - BASS 11-02 Nr. 28).
Eine Einbeziehung der Landschaftsverbände mit Blick auf eine Unterstützung des Gemeinsamen Lernens sollte angestrebt werden.
4 Einrichtung des Gemeinsamen Lernens
an Grundschulen
4.1 Die Schulaufsicht richtet Gemeinsames Lernen im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen vom Grundsatz her an allen Grundschulen ein, die Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung unterrichten, und holt dazu die Zustimmung des Schulträgers schriftlich ein. Sie sorgt dabei dafür, dass diese Grundschulen über sonderpädagogische Fachlichkeit im Kollegium und gegebenenfalls über weiteres pädagogisches Personal zur Unterstützung des Gemeinsamen Lernens verfügen.
4.2 Eine Ausweitung des Gemeinsamen Lernens an Grundschulen ist nur unter Berücksichtigung der unter Nummer 3.2 genannten Qualitätskriterien möglich.
4.3 Die Schulaufsicht richtet Gemeinsames Lernen über den Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen hinaus zusätzlich auch für die Förderschwerpunkte Körperliche und motorische Entwicklung, Geistige Entwicklung, Hören und Kommunikation oder Sehen an Grundschulen ein und holt auch dazu die Zustimmung des Schulträgers schriftlich ein. Insbesondere im dicht besiedelten Raum kann es im Hinblick auf die Qualität der Förderung und die personelle Ausstattung sinnvoll sein, die Einrichtung des Gemeinsamen Lernens für diese Förderschwerpunkte insbesondere an Grundschulen vorzunehmen, die hierzu über eine besondere Expertise bzw. Unterstützungsstruktur verfügen.
4.4 Die Einzelintegration einer Schülerin oder eines Schülers mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung ist mit Zustimmung des Schulträgers möglich. Im Bereich der Förderschwerpunkte außerhalb der Lern- und Entwicklungsstörungen ist dabei eine Einzelintegration insbesondere an einer Grundschule, an der Gemeinsames Lernen nach Nummer 4.1 eingerichtet ist, zu prüfen.
5 Feststellung eines Bedarfs
an sonderpädagogischer Unterstützung
an einer Grundschule, an der Gemeinsames Lernen
nicht eingerichtet ist
Hat eine Grundschule, an der Gemeinsames Lernen nicht eingerichtet ist, eine Schülerin oder einen Schüler aufgenommen, bei der oder dem sich aus Sicht der Grundschule im Laufe der Schuleingangsphase herausstellt, dass ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung besteht, kann gemäß § 11 oder § 12 AO-SF ein Antrag auf Feststellung dieses Bedarfs gestellt werden. Wird der Bedarf gemäß § 14 AO-SF förmlich festgestellt, schlägt das Schulamt den Eltern mit Zustimmung des Schulträgers mindestens eine allgemeine Schule vor, an der ein Angebot des Gemeinsamen Lernens eingerichtet ist. Hierzu kann an der Grundschule, die die Schülerin oder der Schüler besucht, auch eine Einzelintegration nach Nummer 4.4 ermöglicht werden.
Haben die Eltern abweichend von der allgemeinen Schule die Förderschule gewählt, schlägt ihnen die Schulaufsichtsbehörde mindestens eine solche Schule mit dem für die Schülerin oder den Schüler festgestellten Förderschwerpunkt vor (§ 16 Absatz 1 und 2 AO-SF).
6 Inkrafttreten
Dieser Runderlass tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.
ABl. NRW. 04/21