Kinder und Jugendliche in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) in Nordrhein-Westfalen haben während des Aufenthalts in der ZUE einen Anspruch auf Zugang zum Bildungssystem als Unterricht gemäß Artikel 14 der EU-Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen. Mit der Einrichtung schulnaher Bildungsangebote in den ZUE kommt Nordrhein-Westfalen dieser Verpflichtung nach und sorgt für die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen am Bildungssystem. |
Schulnahe Bildungsangebote
in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE)
in Nordrhein-Westfalen
Gem. RdErl. d. Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration u.d. Ministeriums für Schule und Bildung
v. 01.07.2020 - 221-6.08.01-155088/20
1 Allgemeines, Ziel des Unterrichts
1.1 Kinder von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und alleinstehende Kinder und Jugendliche, die einen Asylantrag gestellt haben, werden schulpflichtig, sobald sie einer Gemeinde zugewiesen sind und solange ihr Aufenthalt gestattet ist. Für ausreisepflichtige Kinder und Jugendliche besteht die Schulpflicht bis zur Erfüllung ihrer Ausreisepflicht. Im Übrigen unterliegen Kinder von Ausländerinnen und Ausländern der Schulpflicht, wenn sie ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte in Nordrhein-Westfalen haben (§ 34 Absatz 6 und Absatz 1 Schulgesetz NRW).
1.2 Kinder und Jugendliche in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) in Nordrhein-Westfalen sind nicht schulpflichtig. Sie haben aber während des Aufenthalts in der ZUE einen Anspruch auf Zugang zum Bildungssystem als Unterricht gemäß Artikel 14 der EU-Richtlinie 2013/33/EU vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180/96).
1.3 Dieser Unterricht bereitet die Kinder und Jugendlichen auf einen Schulbesuch nach ihrem Aufenthalt in der ZUE vor.
2 Unterrichtsorganisation
2.1 Der Unterricht ist ein Angebot des Landes. Er begründet kein öffentlich-rechtliches Schulverhältnis.
2.2 Der Unterricht findet in der Regel in Zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes statt. Er wird von Lehrkräften des Landes erteilt. Das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration entscheidet im Einvernehmen mit dem Ministerium für Schule und Bildung über die Standorte und die Organisation des Angebots. Hierbei können an einzelnen Standorten Schwerpunkte für den Unterricht von Kindern und Jugendlichen mehrerer ZUE gebildet werden.
2.3 Die Bezirksregierungen bestimmen Kooperationsschulen, die mit den ZUE und den dort eingesetzten Lehrkräften zusammenarbeiten. Die Kooperationsschulen sind für die Lehrkräfte Ansprechpartner in Fragen des Unterrichts. Sie bestimmen eine Person als Mentorin oder Mentor. Dafür erhalten die Schulen jeweils drei Entlastungsstunden sowie Sachmittel. Hierfür stehen im Landeshaushalt im Kapitel 05 300 Titelgruppe 78 zusätzliche Ausgleichsstellen zur Verfügung.
2.4 Die Schulämter unterstützen fachlich die in den ZUE eingesetzten Lehrkräfte bei ihren Aufgaben. Sie beraten und begleiten sie bei ihrer Arbeit. Hierzu stellen sie ihnen insbesondere Informationsmaterialien zur Verfügung.
2.5 Auf der Grundlage einer Mustervereinbarung schließen die zuständige Bezirksregierung für die ZUE, das Schulamt (schulfachlicher Dienstbereich) und die Kooperationsschule eine Kooperationsvereinbarung. Das örtlich zuständige Kommunale Integrationszentrum kann in die Vereinbarung einbezogen werden.
2.6 Die für die ZUE zuständige Bezirksregierung sichert die für den Unterricht erforderlichen räumlichen und sächlichen Voraussetzungen. Kommunen und Dritte können der ZUE mit Zustimmung der Bezirksregierung Räume zur Verfügung stellen.
2.7 Im Rahmen der personellen und räumlichen Möglichkeiten werden Lerngruppen eingerichtet, die sich am Alter der Kinder und Jugendlichen orientieren. Empfohlen werden Lerngruppen für Kinder im Alter von 6 bis 10 oder 12 Jahren und für Kinder und Jugendliche ab 11 bis 18 Jahren. Lerngruppen mit 15 Kindern und Jugendlichen werden angestrebt. Andere Organisationsformen sind möglich.
2.8 Das wöchentliche Unterrichtsangebot entspricht in der Regel einem Umfang von 25 Unterrichtsstunden zu je 45 Minuten. Der Unterricht findet mit Ausnahme der Schulferien regelmäßig an fünf Tagen in der Woche statt.
2.9 Zusätzlich zum Unterricht beauftragen die Bezirksregierungen die Betreuungsdienstleister in den ZUE mit ergänzenden Bildungs- oder Freizeitangeboten, besonders im künstlerisch-musischen Bereich und im Sport. Dies umfasst auch Bildungs- und Betreuungsangebote in den Schulferien.
3 Unterrichtsinhalte
3.1 Der Schwerpunkt des gesamten Unterrichts liegt in der Vermittlung der deutschen Sprache und bei Bedarf der Alphabetisierung.
3.2 Der Unterricht vermittelt außerdem Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in Mathematik, in Gesellschaftslehre und in Naturwissenschaften. Angebote in der Herkunftssprache stärken die Identität der Kinder und Jugendlichen und unterstützen den Erwerb der deutschen Sprache.
3.3 Der Unterricht soll den Kindern und Jugendlichen helfen, sich im Alltagsleben innerhalb und außerhalb der ZUE zurechtzufinden. Die ergänzenden Angebote außerhalb des Unterrichts widmen sich diesem Ziel in besonderer Weise (siehe Nummer 2.9).
3.4 Die Unterrichtsinhalte beruhen auf einem pädagogischen Konzept des Ministeriums für Schule und Bildung.
4 Teilnahme am Unterricht
Die Kinder und Jugendlichen in den ZUE sollen regelmäßig am Unterricht teilnehmen. Dafür sind ihre Eltern verantwortlich. Die Teilnahme wird am Ende des Besuchs bestätigt. Die Teilnahmebescheinigung enthält Aussagen zum Sprachstand in der deutschen Sprache.
5 Personal
5.1 Der Unterricht wird von Lehrerinnen und Lehrern (§ 57 SchulG) erteilt. Hierfür stehen im Landeshaushalt im Kapitel 05 300 Titelgruppe 78 zusätzliche Ausgleichsstellen zur Verfügung.
5.2 Eine Lehrkraft im Sinne der Nummer 5.1 wird auf einer Stelle ihrer Stammschule oder einer der Stellen geführt, die den Kooperationsschulen zugewiesen sind. Sie wird aus dem Schuldienst in der Regel in vollem Umfang an das Schulamt für den Einsatz in einer ZUE abgeordnet. Dienstort ist die jeweilige ZUE.
5.3 Die Verteilung der Lehrkräfte orientiert sich an dem Bedarf in den ZUE. Eine Teilzeitbeschäftigung soll 50 Prozent nicht unterschreiten.
5.4 Die Arbeitszeit der Lehrkräfte richtet sich während der Zeit der Abordnung für Beamtinnen und Beamte nach § 2 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (AZVO) und für Tarifbeschäftigte nach § 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Auf die Arbeitszeit entfallen 25 Unterrichtsstunden (Nummer 2.8). Die Lehrkräfte nehmen ihren Erholungsurlaub während der Schulferien.
5.5 Für den Unterricht in einer ZUE sind alle im Schulamt für die allgemeinen Angelegenheiten der Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit Zuwanderungsgeschichte (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Zuständigkeitsverordnung Schulaufsicht - BASS 10-32 Nr. 47) eingesetzten Lehrkräfte zuständig. Im Fall der Verhinderung macht der Betreuungsdienstleister ein Bildungsangebot. Eine Vertretung durch Lehrkräfte der Kooperationsschule findet nicht statt.
6 Personal- und Sachmittel
Neben den Personalmitteln für die Entlastungsstunden und die Lehrkräfte (Nummern 2.3 und 5.1) und damit verbundenen Sachmitteln im Haushalt des Ministeriums für Schule und Bildung im Kapitel 05 300 Titelgruppe 78 stellt das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration Sachmittel aus dem Kapitel 07 080 Titelgruppe 68 im Rahmen der für diesen Zweck veranschlagten Haushaltsmittel zur Verfügung.
7 Inkrafttreten
Dieser Runderlass tritt am 1. August 2020 in Kraft.
ABl. NRW. 08/2020