Lehrerfort- und Weiterbildung - Deutsch als Zielsprache Ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt ist im Schulleben und Unterricht der Regelfall. Die Qualifizierung richtet sich an Lehrkräfte aller Schulformen, die Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf in „Deutsch als Zielsprache“ unterrichten. |
Zu BASS 20-22 Nr. 8
Fort- und Weiterbildung;
Strukturen und Inhalte der Fort- und Weiterbildung für das Schulpersonal (§§ 57-60 SchulG);
Ergänzung Anlage 3
RdErl. d. Ministerium für Schule und Weiterbildung
v. 29.03.2017 - 412-6.07.01-11415
Bezug:
RdErl. d. Ministeriums für Schule und Weiterbildung v. 06.04.2014
(BASS 20-22 Nr. 8), zuletzt geändert durch RdErl. v. 02.05.2017 (ABl. NRW. 05/17)
An die Anlage 3 des Bezugserlasses wird angefügt:
III. Qualifikationserweiterung „Deutsch als Zielsprache“
für Lehrkräfte aller Schulformen
Ethnische, sprachliche und kulturelle Vielfalt ist im Schulleben und Unterricht der Regelfall. Die kulturelle Vielfalt und Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern wird durch Neuzuwanderung von Kindern und Jugendlichen verstärkt. Die Basisqualifizierung richtet sich an Lehrkräfte aller Schulformen, die Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf in „Deutsch als Zielsprache“ unterrichten.
Der Qualifizierungsmaßnahme „Deutsch als Zielsprache“ liegt ein erweitertes und inklusives Verständnis der Vermittlung der deutschen Sprache für alle Schülerinnen und Schüler mit sprachlichem Unterstützungsbedarf zugrunde. Der Begriff „Ziel“ ist so zu verstehen, dass allen Kindern und Jugendlichen im Verlauf ihrer Schullaufbahn über die durchgängige Sprachbildung nicht nur der Erwerb der Alltagssprache, sondern auch der Bildungssprache Deutsch ermöglicht wird. Dabei handelt es sich um ein sprachliches Register zwischen der Alltags- und der Fachsprache. „Deutsch als Zielsprache“ ist integraler Bestandteil der interkulturellen Schul- und Unterrichtsentwicklung, unter der die Ausprägung eines guten, individualisierenden, stärkenorientierten Unterrichts verstanden wird.
Mehrsprachigkeit, ethnische und kulturelle Vielfalt werden durch sprachbildenden und sprach- und migrationssensiblen Unterricht in allen Fächern und Unterrichtsformen gefördert. Das sprachliche, ethnische und kulturelle Selbstbewusstsein aller Kinder und Jugendlichen soll gestärkt werden und individuelle Lernfortschritte sollen ermöglicht werden.
1 Zielsetzungen
Lehrerinnen und Lehrer entwickeln grundlegende Handlungskompetenzen zur Gestaltung von Unterricht in einer Lernkultur der Heterogenität und Vielfalt:
- Die Teilnehmenden reflektieren eigene Haltungen sowie bedeutsame Aspekte interkulturellen Handelns, die in Unterricht und Schulleben sichtbar werden.
- Sie verfügen über ein Repertoire linguistischer Fachbegriffe zur Beschreibung sprachlicher Handlungen und Strukturen.
- Die Teilnehmenden lernen die Grundprinzipien der Mehrsprachigkeitsdidaktik kennen, z.B. Sprachlernstrategien, kontrastive Sprachvergleiche, Leitlinien für sprachliches Handeln in allen Fächern.
- Sie kennen unterschiedliche Modelle zur Sprachstandermittlung von Schülerinnen und Schüler, um diese durch eine prozessbegleitende Lerndiagnostik sowie eine gemeinsame Fehleranalyse in ihrem individuellen Spracherwerb zu unterstützen.
- Sie setzen sich mit den Erwerbssequenzen im Erlernen der deutschen Sprache auseinander und entwickeln auf dieser Basis individuelle Förderwege für Schülerinnen und Schüler.
- Sie bearbeiten Spracherwerbsstadien im authentischen Kontext und legen den Fokus auf schulische Fachsprache mit dem Ziel des sprachsensiblen Fachunterrichts.
- Sie lernen die Aufgabe der Bildungssprache sowohl als Mittler zwischen Alltags- und Fachsprache als auch als das zentrale Register für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn der Schülerinnen und Schüler kennen.
- Sie setzen sich mit organisatorischen Modellen zur Integration neu zugewanderter Schülerinnen und Schüler auseinander mit dem Ziel der systemischen Einbindung in Schulkultur und der sprachsensiblen Unterrichts- und Schulentwicklung.
- Die Teilnehmenden reflektieren eigene Haltungen und entwickeln als reflektierte Praktikerinnen und Praktiker Perspektiven für den Unterricht mit neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen, die in der Schule und dem Schulleben sichtbar werden.
2 Inhaltsbereiche
Diese Zielsetzungen werden mit Hilfe folgender Inhaltsbereiche bearbeitet:
2.1 Migrationssensibilität - Interkulturelles Lernen
- Diversität und Interkulturalität - Förderung, Wertschätzung; Anerkennung unterschiedlicher Zugehörigkeits- und Differenzdimensionen
- Interkulturelle und transkulturelle Kommunikation
- Interkulturelle Prozesse der Kinder und Jugendlichen, dialogische Strukturen in einer kontinuierlichen Elternarbeit
- Sensibilisierung für traumatisierte Schülerinnen und Schüler, für Vorurteile und Diskriminierung
- Umgang mit Fremdheit, dem Anders-Sein - Pädagogik der Vielfalt, aktive Auseinandersetzung mit Heterogenität.
2.2. Grundlagen des Spracherwerbs und der Mehrsprachigkeitsdidaktik
- Zweitspracherwerb unter Migrationsbedingungen (Alltagssprache, Bildungssprache, Fachsprache)
- Grundlagen Deutsch als Zweitsprache/Deutsch als Fremdsprache (Besonderheiten des Deutschen)
- Methoden aus der Fremdsprachendidaktik (z.B. Zugänge über L1, L2, L3, Ln)
- Verbindung der Sprachhandlungen (Operatoren) mit einer bestimmten sprachlichen Struktur unter Einbeziehung eines bestimmten Wortschatzes
- Spracherwerbssequenzen (Verbalbereich, Satzmodelle und Objektkasus)
- Phonetik und phonologische Bewusstheit unter dem Gesichtspunkt der language awareness und der bedeutungsunterscheidenden Funktion
- Von der Bildungssprache zu einer fachkommunikativen Kompetenz (sprachsensibler Fachunterricht - Konzepte und Modelle von Sprachvermittlung im Fach)
- Didaktik der Mehrsprachigkeit: Sprache in Abhängigkeit voneinander lehren und lernen, Verbindung zwischen Sprachen herstellen, erworbene Sprachlernstrategien übertragen
- Chunks als Weg zur Regelbildung, als Basis zum Aufbau von Sprachhandlungen
- Lernersprache als diagnostisches Mittel - lernprozessbegleitende Sprachdiagnostik, Fehleranalyse zur Ermittlung der Lernersprache/Interlanguage und darauf aufbauender Spracharbeit
- Verfahren und Instrumente der Eingangs- und prozessbegleitenden Sprachdiagnostik und -förderung
- Scaffolding als Unterrichtsprinzip
- von konzeptioneller Mündlichkeit zur konzeptionellen Schriftlichkeit
- Analyse von Unterrichtsmedien - Lehrwerkanalyse mit Blick auf Bildungssprache, Rezeptionshürden erkennen (z.B. Textlänge, Kohärenz, Topikalisierung), Einbezug einschlägiger, auch digitaler Medien (Wiki, Tablets)
- Wissensbereiche (z.B. Textproduktion) als kulturabhängige Schemata verstehen, Bezug zur Erst- und Zielsprache herstellen
- Bildungssprache als Eintrittskarte zur gesellschaftlichen Partizipation und als Mittel der sozialen Positionierung von Sprachbenutzerinnen und Sprachbenutzern
- Sprachbildung als Schulentwicklungsperspektive
2.3 Grundbildung: Alphabetisierung und Numeralisierung
- Primärer, v.a. funktionaler Analphabetismus und Zweitschrifterwerb
- Methoden der Alphabetisierung (z.B. Verstehen der Prinzipien von Schriftsystemen (lateinische Schrift, semitische Schrift), Silbenmethode, Arbeitsweisen und Übungstypen im Alphabetisierungsunterricht), binnendifferenzierter Unterricht
- Schriftvermittlung, orthographische Kompetenzentwicklung
- Numeralisierung
- Sensibilisierung für die Arbeit mit Lehrwerken, Arbeitsblättern, Sprachspielen sowie digitalen Medien (Wiki, Tablets)
2.4 Systemische Vernetzung, Kooperation, Austausch und Reflexion
- Angebote und Kooperation mit schulinternen und kommunalen Partnern; Einbinden spezifischer Expertisen
- Bildung von Professionellen Lerngemeinschaften zur Entwicklung und Erstellung von Unterrichtskonzepten und -materialien;
- Anregung zur kollegialen Planung und zum Austausch - ggf. Hospitation
- organisatorische Grundlagen für den Unterricht mit neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen (begriffliche Klärungen, Modell des Seiteneinstiegs, Beispiele guten Gelingens)
3 Qualifizierung
Die Qualifizierung umfasst rhythmisiert 80 Präsenz-Fortbildungsstunden und wird über die Dauer eines Schulhalbjahres durchgeführt. Die Entlastung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgt nach BASS 20-22 Nr. 8 Nummer 7.1 und 7.3.
Die Qualifizierung beinhaltet neben theoretischen Anteilen schulstufen- und schulformrelevante praxisbasierte Erprobungsphasen mit adäquaten Lerngelegenheiten durch Kooperation, Selbststudium (kursrelevante Literaturarbeit, schriftliche Hausaufgaben sowie Dokumentation des im Kurs erworbenen Handlungsrepertoires (Portfolio), Erstellung von Arbeitsmaterialien möglichst in kollegialem Austausch bzw. Hospitationen).
Die Qualifizierung der Moderatorinnen und Moderatoren erfolgt auf Basis eines landesweit abgestimmten Konzeptes. Dieses orientiert sich an den o.g. Inhaltsbereichen.
Der Erlass tritt zum 01.08.2017 in Kraft.
ABl. NRW. 05/2017 S. 43