11-03 Nr. 1
Steuerbefreiung
nach § 4 Nrn. 20 Buchstabe a und 21 Buchstabe a
des Umsatzsteuergesetzes
RdErl. d. Kultusministeriums
v. 18.12.1989 (GABl. NW. 02/90 S. 75)1
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Nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG sind die Umsätze folgender Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände2 von der Umsatzsteuer befreit: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Nach Satz 2 dieser Bestimmung gilt dies auch für Umsätze gleichartiger Einrichtungen „anderer Unternehmer“, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass diese Einrichtungen die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen wie die öffentlichen Einrichtungen.
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Nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG sind die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn
a) sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Absatz 4 Grundgesetz (BASS 0-1) staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
b) die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
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Zuständige Landesbehörde für die Erteilung der Bescheinigungen nach Nrn. 1 und 2 ist die Bezirksregierung.
Soweit ein Unternehmen Niederlassungen in den Bezirken mehrerer Bezirksregierungen oder in anderen Bundesländern hat, ist die Bescheinigung von der Bezirksregierung bzw. der Behörde auszustellen, in deren Bezirk das Unternehmen seinen für die Veranlagung zur Umsatzsteuer maßgebenden Sitz hat. Die für die Niederlassungen zuständigen Bezirksregierungen bzw. Behörden sind zu beteiligen.
Soweit ausländische Theater, Orchester, Kammermusikensembles und Chöre an verschiedenen Orten gastieren (Tournee), ist die Bescheinigung durch die Bezirksregierung auszustellen, in deren Bezirk der erste Auftritt stattfindet.
Die zuständige Bezirksregierung beteiligt die Abteilung 6 (Bergbau und Energie in NRW) der Bezirksregierung Arnsberg, soweit diese für eine Bildungseinrichtung fachlich zuständig wäre.
Für Fernlehrgänge bleibt die Zentralstelle für Fernunterricht zuständige Behörde im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG (Artikel 2 Absatz 2 Nr. 4 Staatsvertrag über das Fernunterrichtswesen vom 12. März 1979 (SGV. NRW. 223).
4 Bescheinigungen gemäß Nr. 1
(§ 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG)
Die kulturelle Vergleichbarkeit der Einrichtungen privater Unternehmer mit den Einrichtungen der Gebietskörperschaften3 ist durch geeignete Unterlagen (z.B. Programme, Spielpläne, Presserezensionen) nachzuweisen.
Bei freien Theatergruppen ist Voraussetzung für die Vergleichbarkeit, dass
- die freie Gruppe einen festen Kern von Schauspielerinnen und Schauspielern nachweist,
- die Gruppe in der Regel über einen Mindestzeitraum von einem Jahr kontinuierlich gespielt hat,
- die Gruppe, soweit kein eigener Theaterraum vorhanden ist, über einen Proberaum verfügt,
- die gespielten Stücke zumindest theaterähnlich sind (kein Varietee).
Als Indizien für eine kontinuierliche und ernsthafte Theaterarbeit gelten die Zusammenarbeit mit kommunalen oder privaten Theatern, die Verpflichtungen durch Kommunen oder die Zusammenarbeit mit den Kultursekretariaten in Wuppertal und Gütersloh.
Als begünstigte kulturelle Einrichtung können auch ausübende Einzelkünstlerinnen und Einzelkünstler angesehen werden (z.B. Instrumental- oder Gesangs-Solisten). Selbstständigen Dirigentinnen und Dirigenten sowie Regisseurinnen und Regisseuren wird von der Finanzverwaltung keine Umsatzsteuerbefreiung gewährt.
5 Bescheinigungen gemäß Nr. 2
(§ 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG)
5.1 Träger von Ergänzungsschulen und anderen allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen benötigen, sofern sie keine Ersatzschule im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa UStG betreiben, nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG zur Inanspruchnahme der Umsatzsteuerbefreiung eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Aus dieser muss sich ergeben, dass die Unterrichtsleistungen auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
5.2 Auf die Rechtsform des Trägers einer Ergänzungsschule oder einer allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtung kommt es nicht an. Es können deshalb auch natürliche Personen oder Personenzusammenschlüsse begünstigt sein, wenn neben den personellen auch die organisatorischen und sächlichen Voraussetzungen vorliegen, um einen Unterricht zu ermöglichen.
Eine selbstständige Lehrerin oder ein selbstständiger Lehrer ist Träger einer Bildungseinrichtung, wenn sie oder er selbst entgeltliche Unterrichtsleistungen gegenüber den Vertragspartnern (z.B. Schülerinnen oder Schüler, Studentinnen oder Studenten, Berufstätige oder Arbeitgeber) anbietet. Dies erfordert ein festliegendes Lehrprogramm und Lehrpläne zur Vermittlung eines Unterrichtsstoffes für die Erreichung eines bestimmten Lehrgangszieles sowie geeignete Unterrichtsräume oder -vorrichtungen. Der Betrieb der Bildungseinrichtung muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Die Einrichtung braucht im Rahmen ihres Lehrprogramms keinen eigenen Lehrstoff anzubieten. Es reicht aus, wenn sich die Leistung auf eine Unterstützung des Schul- oder Hochschulangebots oder auf die Verarbeitung oder Repetition des von der Schule angebotenen Stoffes beschränkt. Die Veranstaltung einzelner Vorträge oder einer Vortragsreihe erfüllt dagegen nicht die Voraussetzungen einer Unterrichtsleistung. Hingegen ist die Einbindung von Vorträgen in ein Lehrprogramm für die Befreiung unschädlich.
5.3 Eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG können auch Träger von Einrichtungen erhalten, die diese Bescheinigung nicht für eigene Umsatzsteuerzwecke benötigen, sondern für eine Umsatzsteuerbefreiung der Unterrichtsleistungen der bei ihnen tätigen freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe b UStG erfüllen. Diesen kann keine Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG durch die nach Nr. 3 zuständige Landesbehörde erteilt werden.
5.4 Beruf im Sinne der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchstabe a UStG ist nicht nur ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf. Die Vorbereitung auf einen Beruf umfasst die berufliche Ausbildung, die berufliche Fortbildung sowie die berufliche Umschulung, unabhängig davon, ob in diesem Rahmen Prüfungen stattfinden.
Vorbereitung auf eine Prüfung ist der engere Begriff gegenüber der Berufsvorbereitung; Prüfung im Sinne dieser Vorschrift ist nur eine Prüfung im allgemein bildenden Bereich.
5.5 Von der begünstigten zielgerichteten und systematischen Berufs- und Prüfungsvorbereitung sind Maßnahmen abzugrenzen, bei denen es sich nach dem Gesamtbild um Hobby-Kurse handelt. Maßgeblich für die Erteilung einer Bescheinigung ist, dass die Ausbildung (der Kurs) für die Ergreifung des Berufs bzw. die Ablegung der Prüfung erforderlich und geeignet ist. Mit der Bescheinigung wird somit nicht die Ausbildung einzelner Lehrgangsteilnehmer beurteilt, sondern, ob die Bildungseinrichtung von ihrer Organisation und ihren Unterrichtsinhalten (Kursen) ordnungsgemäß auf einen bestimmten Beruf bzw. auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereitet.
5.6 Träger und Leiterin oder Leiter der Schule oder Einrichtung sowie die für die Vorbereitung verantwortlichen Personen müssen die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und die Gewähr dafür bieten, dass sie nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen.
5.7 Die Vertragsbedingungen, insbesondere die Kündigungsmöglichkeiten, müssen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer angemessen und zumutbar sein. Die Kündigung darf nicht durch Vereinbarungen über Vertragsstrafen oder durch ähnliche Abreden erschwert werden. Die Kündigungsfristen müssen im angemessenen Verhältnis zur Dauer der Ausbildungszeit stehen. Auch darf das Recht zur außerordentlichen Kündigung in den Vertragsbedingungen nicht ausgeschlossen sein.
Wenn für Ausbildungsgänge, die insgesamt einen Zeitraum von nicht mehr als einem halben Jahr umfassen, eine Kündbarkeit vertraglich nicht vorgesehen ist, kann gleichwohl die Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung erfüllt sein.
5.8 Die Dauer der Vorbereitung muss in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Ziel stehen.
5.9 Der Unterrichtsstoff muss in fachlicher und pädagogischer Hinsicht geeignet sein, auf die Prüfung oder den Beruf ausreichend und zweckentsprechend vorzubereiten.
5.10 Die Ausstellung der Bescheinigung für private Musikeinrichtungen oder selbstständige Musikerzieherinnen und Musikerzieher sowie private Balletteinrichtungen (-institute, -kurse) oder selbstständige Ballettlehrerinnen und Ballettlehrer ist grundsätzlich an die Vorlage von Prüfungs- oder Studienbescheinigungen von bereits ausgebildeten Schülerinnen oder Schülern zu binden. Die abgelegten Prüfungen müssen unmittelbar berufsvorbereitend oder den Aufnahmeprüfungen an Hochschulen vergleichbar sein.
Ausreichend ist auch der Nachweis von Schülerinnen oder Schülern, die beruflich als Musikerinnen und Musiker oder Ballettänzerinnen und Ballettänzer tätig geworden sind.
Ausnahmsweise kann insbesondere jungen Musikerzieherinnen oder Musikerziehern sowie jungen Ballettlehrerinnen oder Ballettlehrern, die solche Nachweise noch nicht führen können, die Bescheinigung befristet auf in der Regel fünf Jahre erteilt werden, wenn sie
- eine Staatliche Prüfung für Musikschullehrerinnen, Musikschullehrer, selbstständige Musiklehrerinnen und Musiklehrer oder eine künstlerische Abschlussprüfung als Tanzpädagogin oder Tanzpädagoge oder eine nach der jeweils geltenden Prüfungsordnung vergleichbare Ausbildung nachweisen und
- glaubhaft machen, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereiten.
5.11 Erbringt eine Schule oder Einrichtung Leistungen, die verschiedenartigen Schul-, Bildungs- oder Berufszwecken dienen, ist die Bescheinigung für jede einzelne Leistung gesondert zu beantragen und auszustellen. Die Bescheinigung kann sich bei Fernlehrinstituten z.B. auf einen Lehrgang beziehen, bei Musikschulen auf einen Fachbereich.
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Die Bescheinigung ist widerruflich zu erteilen; sie kann auch befristet werden. Die Voraussetzungen für den Widerruf (Wegfall der Erteilungsvoraussetzungen, unrichtige oder unvollständige Angaben) sind der Antragstellerin oder dem Antragsteller mitzuteilen. Im Falle des Widerrufs ist die zuständige Finanzbehörde unverzüglich zu unterrichten.
1 Bereinigt. Eingearbeitet:
Gem. RdErl. v. 11.06.2004 (ABl. NRW. S. 238); RdErl. v. 25.03.2003 (ABl. NRW. S. 115) RdErl. v. 29.04.1994 (GABl. NW. I S. 110); RdErl. v. 22.08.1990 (GABl. NW. S. 478)
2 jetzt: Einrichtungen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG, zuletzt geändert durch Art. 16 des Gesetzes v. 16.12.2022, BGBl. I S. 2294)
3 s. Fußnote 2